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Der klagt die Seinigen, und jener fremde Noth,
Biel wünschen ihnen auch aus Todesangst, den Tod,
Und sehen, was nicht ist. Der allermeiste Haufén
Kömmt auf die Tempel zu mit heißer Brunft gelaufen,
Sagt seine Sünden auf, spricht theiles etwas an,
Das selbst im Feuer steht, und wenig rathen kann,
und theiles weiß den Sinn doch besser zu erhöhen,
Zu dem, der einig hilft: so pflegt es herzugehen;
Wenn böser Zustand ist, da nimmt man Gottes wahr,
Wo gutes Glücke wohnt, raucht selten ein Altar.

Opitz.

v. Haller.

von Haller.

S. B. II. S. 359. Die didaktischen Stellen seines berühmten Gedichts, die Alpen, haben freilich mehr Werth, als die mahlerischen, obgleich jene nur zur Hebung und Verschönerung dieser leßtern bestimmt waren. Der Dichter fühlte selbst die Unbehülflichkeit des Ganzen, und den Zwang, den er sich durch die Wahl der zehnfylbigen Strophen, und durch den Vorsaß auferlegt hatte, in jede dieser Strophen ein besondres Gemåhlde einzufassen, und ihrem Schlusse jedesmal einen besondern Nachdruck zu geben. Auch fürchtet er, daß man in der Diktion dieses Gedichts noch manche Spuren des Lohensteinischen Geschmacks wahr. nehmen werde. Ist dieß der Fall, so haben doch freilich diese Spuren das Gepråge der beffern, und nicht ganz vers werflichen lohensteinischen Manier. Villig frei davon aber ift folgende Stelle, die eine schöne Schilderung der Alpenbez wohner und ihrer Lebensart, in den verschiednen Jahrszeiten, enthält.

Aus dem Gedicht: Die Alpen.

Entfernt von eitlen Tand der mühsamen Ge:
schäfte,

Wohnt hier der Seelen Ruh, und flieht der Städte
Rauch.

Ihr thatig Leben stärkt der Leiber reife Kräfte,
Der träge Müssiggang schwellt niemals ihren Bauch.
Die Arbeit weckt sie auf, und stillet ihr Gemüthe,
Die Lust macht sie gering, und die Gesundheit leicht;
In ihren Adern fließt ein unverfälscht Geblüte,
Darin kein erblich Sift von siechen Våtern schleicht,
Das Kummer nicht vergållt, kein fremder Wein befeus

ret,

Kein geiles Eiter fåult, kein welscher Koch versäuret.

1

So

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So bald der rauhe Nord der Lüfte Reich verlies v. haller.

ret,

Und ein belebter Saft in alle Wesen dringt,

Wann sich der Erde Schooß mit neuem Schmucke zies

ret,

Den ihr ein holder West auf lauen Flügeln bringt;
So bald flieht auch das Volk aus den verhaßten Grün:
den,

Woraus noch kaum das Eis mit trüben Strömen

Und eilt den Alpen zu,

fließt,

das erste Gras zu finden, Wo taum noch durch den Schnee der Kräuter Spike

sprießt *)

Das Vieh verläßt den Stall, und grüßt den Berg mit
Freuden,

Den Frühling und Natur zu seinem Nußen kleiden.

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Und uns das Licht der Welt die ersten Blicke giebt,
Entreißt der Hirt sich schon aus seiner Liebsten Küssen,
Die seines Abschieds Zeit zwar haßt, doch nicht vers
schiebt,

Er treibt den trågen Schwarm, von schwer beleibten
Kühen

Mit freudigem Gebrüll, durch den berhauten Steg,
Sie irren langsam um, wo Klee und. Muttern **)
blühen,

Und måhn das zarte Gras, mit scharfen Zungen weg;

Er

$

*) Im Anfange des Maimonats brechen, aus den Städten und Dörfern, die Hirten mit ihrem Vich auf, und zies hen mit einer eigenen Fröhlichkeit erst auf die niedrigen, und im Brachmonat, auf die hdhern Alpen.

**) Ein Kraut, das in den Weiden allen andern vorgezogen wird. Sefeli foliis acute multifidis umbella purpurea. Enum. Helu. p. 43L.

v. haller. Er aber sehet sich bey einem Wasserfalle,
Und ruft mit seinem Horn dem lauten Wiederhalle.

Wann der entfernte Strahl die Schatten nun
verlängert,

Und Phōbus müdes Licht sich senkt in kühle Ruh,
So eilt die satte Schaar, von Ueberfluß geschwängert,
Mit schwärmendem Geblock gewohnten Ställen zu.
Die Hirtin grüßt den Mann, der sie mit Lust erblis
cket,

Der Kinder froh Gewühl frohlockt und spielt um ihn..
Und, ist der süße Schaum der Euter ausgedrücket,
So sißt das müde Paar zu schlechten Speisen hin.
Begierd' und Hunger würzt, was Einfalt zubereitet,
Bis Schlaf und Liebė sie umarmt ins Bett begleitet.

Wann nun von Titans Glanz die Wiesen sich ents zünden

Und in dem falben Gras des Volkes Hoffnung reift;
So eilt der muntre Hirt nach den bethauten Grün
den,

Eh' noch Aurorens Gold der Berge Hdh durchstreift.
Aus ihrem holdem Reich wird Flora nun verdrånget,
Den Schmuck der Erde fällt der Sense krummer
Lauf,

Ein lieblicher Geruch aus tausenden vermenget,
Steigt aus der bunten Reih gehäufter Kräuter auf,
Der Ochsen schwerer Schritt führt ihre Winter:
·Speise,

Und ein frohlockend Lied begleitet ihre Reise.

Bald, wann der trübe Herbst die falben Blätter
pflücket,

Und sich die kühle Luft in graue Nebel hüllt,
So wird der Erde Schooß mit neuer Zier geschmücket,
An Pracht und Blumen arm, mit Nugen angefüllt;
Des Frühlings Augenluft weicht größerem Vergnügen,
Die Früchte funkeln da, wo vor die Blüthe stund,
Der Aepfel reifes Gold, durchstriemt mit Purpurzügen,
Beugt den gestützten Ast, und nähert sich dem Mund.

Der

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Der Birnen süß Geschlecht, die honigreiche Pflaus, v. Haller.

me *)

Reizt ihres Meisters Hand, und wartet an dem Baus

me.

Zwar hier bekränzt der Herbst die Hügel nicht
mit Reben, **)

Man preßt kein gåhrend Naß gequetschten Beeren ab:
Die Erde hat zum Durst nur Brunnen hergegeben,
Und kein gekunstelt Sau'r beschleunigt unser Grab.
Beglückte! klaget nicht, ihr wuchert im Verlieren,
Kein nöthiges Getränk, ein Gift, verlieret ihr:
Die gütige Natur verbietet ihn den Thieren,
Der Mensch allein trinkt Wein, und wird dadurch ein
Thier.

Für euch, o Selige! will das Verhängniß sorgen,
Es hat zum Untergang den Weg euch selbst verbors

gen.

Allein es ist auch hier der Herbst nicht leer an
Schäßen,

Die List und Wachsamkeit auf hohen Bergen findt.
Eh sich der Himmel zeigt, und sich die Nebel setzen,
Schallt schon des Jågers Horn, und ruft dem Felsens
find:

Da seßt ein schüchtern Gems, beflügelt durch den Schres
cken,

Durch den entfernten Raum gespaltner Felsen fort:
Dort kürzt ein künstlich Blei den Lauf von schnellen
Böcken,

C

Hier

*) Die am Fusse der Alpen liegenden Thäler find übers haupt voll Obst, welches einen guten Theil ihrer Nahrung ausmacht.

**) Dieser Mangel an Wein ist den eigentlichen Alpen eigen, denn die nächsten Thäler zeugen oft die stärksten Weine, ganz nahe unter den Eisgebürgen, wie der feus rige Wein zu Martinach, am Fuß des St. Bernhards Bergs.

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