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keineswegs die Klarheit, die Ruhe, die Tiefe und die Kunstvollendung erreicht, wie wir sie in den poetischen Schöpfungen christlicher Classiker bewundern müssen. Wissenschaften und Künste dagegen gewinnen weder Einfluss noch Ehre und sind, eine kurze Zeit durch äussere und fremde Anregung gepflegt, bald wieder erstorben und werden auf dem Grund und Boden der alten Hellenen nicht eher wieder auferstehen, als bis das Evangelium die segnenden Strahlen seines heiligen Geistes über dieselben ergiessen wird.

Das Judenthum ist theils nach dem Wesen des Mosaismus oder Hebräisinus, theils nach den Satzungen des Rabbinismus oder Talmudismus zu beurtheilen. In den Vorstellungen von Gott herrscht aber die Idee der Gerechtigkeit und des Zornes über die der Liebe und Güte. Zwar hat Jehova Himmel und Erde geschaffen, aber er bleibt ein Gott des auserwählten Volkes Israel, von dem er allein wahrhaft verehrt, das allein von ihm geliebt und gesegnet wird. Der Particularismus des Jehovaglaubens führte zu Hass und Verfolgung gegen Andersgläubige sowohl im eigenen Volke als vorzüglich gegen auswärtige Völker, führte zu einem Nationalstolze oder vielmehr Nationaldünkel, der andere Völker kaum der Beachtung, viel weniger der Achtung würdigte. Das Glaubensgesetz schreibt Heiligung als Bestimmung des Menschen vor, fordert damit aber vorzugsweise äussere Reinhaltung von Uebertretung theils ritueller theils bürgerlicher Anordnungen und Einrichtungen. Auf Feste, Fasten, Reinigungen und vielerlei Gebräuche wird ein ihren Werth überwiegendes Gewicht gelegt. Ceremoniendienst und Legalität bieten den Massstab für Belohnungen und Strafen, die sich hauptsächlich auf die körperliche und sinnliche Natur des vor den Strafgerichten Gottes in knechtischer Furcht und Angst lebenden Menschen beziehen. Die ganze Lebensansicht des Mosaismus wurzelt tief in der Niedrigkeit des Irdischen. Belohnung und Strafe für Frömmigkeit oder Gottlosigkeit liegen allein im gegenwärtigen Leben, dessen lange Dauer an sich das höchste Gut des Erdenglücks und das untrüglichste Zeichen göttlicher Huld und Gnade ist. Die Ahnung eines ewigen Lebens in gerechter Vergeltung des irdischen Lebens ist schwach und matt. Das Verlangen und die Sehn

sucht nach einer vollkommneren Gestaltung des Jehovareiches, seiner universalen Macht und Herrlichkeit, findet in dem eigenthümlichen Elemente des Prophetenthums und der Messiashoffnung mehr wehmuthvolle Aufregung als befriedigende und beseligende Erhebung. Die Fortentwicklung des jüdischen Glaubens und Moralsystems, wie sie sich in den Propheten offenbart, bleibt doch immer auf einer Stufe der Läuterung und Vergeistigung stehen, die nur als Vorstufe zu einer noch höheren Entwicklung, zu einer wahren Vollendung betrachtet werden kann. Die nachchristlichen Erweiterungen oder Commentationen des vorchristlichen Judenthums durch den hinzugetretenen Talmudismus und Rabbinismus verstricken sich in die Spitzfindigkeiten und Subtilitäten einer theils gelehrten theils grüblerischen Sophistik und Casuistik, die dem sittlich religiösen Leben und Gottesdienste weder zur Nahrung noch zur Kräftigung gereichen. Die Religions- und Lebensansichten, die Denk- und Handlungsweise der durch Geist und Charakter sich auszeichnenden Juden in der Gegenwart mitten unter christlichen Bevölkerungen sind zu sehr dem Einflusse christlicher. Ideen und Geistesrichtungen nahegestellt, als dass man das eigenthümliche Verdienst des spezifischen Judenthums sicher zu unterscheiden vermöchte. Männer, wie Spinoza und Mendelssohn, sind nach ihrer wissenschaftlichen Bildung und religiösen Lebensanschauung dem Judenthume offenbar so gut wie gar nicht in Anrechnung zu bringen, da sich an ihnen der Einfluss der christlichen Literatur und Culturhöhe zu deutlich nachweisen lässt. Das gegenwärtige Judenthum an sich erscheint als ein starres hartnäckiges Festhalten an einer Religionsform, die, wie eine ägyptische Mumie, zwar der Fäulniss und Verwesung widersteht, aber doch weder Geist noch Leben hat. Geist und höheres Leben, bedeutende Leistungen auf dem Gebiete der Kunst, Poesie und Wissenschaft, sind unter Israeliten nur insoweit anzutreffen, als sie an den reichen Quellen der Bildung und Culturentwicklung unter den Christen Antheil nehmen. So viel bleibt gewiss, dass der geistige und substanzielle Gehalt des modern gehobenen Judenthums, wie es nach Ritus und Lehre in manchen Synagogen einiger grossen Städte Europa's erscheint, nur darum dem Christenthume nahesteht, weil es

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mitten im Christenthume steht und eben dadurch gehoben worden, sonst aber vom Christenthume gar wohl zu unterscheiden und demselben keineswegs gleichzustellen ist.

Die vergleichende Schilderung des. Christenthums kann nur die Lobrede auf das Christenthum sein, auch wenn man die Betrachtung allein von dem philosophischen oder rationalistischen Standpunkte aus anstellen will und die Vorzüge, welche sich vom Standpunkte der kirchlichen Orthodoxie oder Symbolgläubigkeit noch im Besonderen mit starkem Nachdrucke geltend machen lassen, bei der Vergleichung ganz fern hält. Es sollte allerdings nicht nur leicht, sondern auch überflüssig erscheinen, als Christ unter Christen dem Christenthume .eine Lobrede zu halten. Allein leider ist das Wesen der christlichen Religion selbst unter vielen Gebildeten in seinen Hauptund Grundzügen noch so wenig klar erkannt, dass sich nur aus dieser Unkenntniss der rauschende Beifallsjubet erklären lässt, welcher bei dem Märchen von den drei Ringen auszubrechen pflegt. Wo aber ist das Dogma so vernunftgemäss, die Moral so erhaben, die Persönlichkeit des Glaubensstifters so fleckenlos, der Segen der Glaubensfrucht so umfassend und beseligend, als in der Lehre, den Pflichtgeboten, dem Wandel Jesu Christi, wie sie das Evangelium darstellt, als in dem mächtigen Einflusse auf das Leben der Menschen und Völker, wie die Culturgeschichte der Menschheit im Grossen und Kleinen, im Ganzen und Einzelnen unwidersprechlich zu bezeugen vermag! Für die Begründung des Glaubens an die alleinige Vollkommenheit der christlichen Religion und daran, dass das Wahre und Ewige, das Geistige und Göttliche, das zerstreut und vereinzelt in allen Religionen vorhanden ist, dass das Christenthum dieses Alles vereint und vollständig in sich schliesst, weiss ich in der That nichts mehr und nichts Besseres aufzustellen, als was die kenntnissreichsten Religionslehrer und Apologeten auf Kanzel und Katheder, in Schrift und Rede, seit den ersten Jahrhunderten der christlichen Kirche bis auf den heutigen Tag ausgesprochen haben. Die zugleich allen edleren Bedürfnissen des Geistes und Herzens, dem Verlangen nach Wahrheit und Weisheit, nach lauterer Tugend und sittlicher Vollendung, nach innerster Beglückung und Beseligung im

höchsten Grade entsprechenden Lehren von Gott, dem ewigen und heiligen, dem liebenden, gnädigen und barmherzigen Vater aller Menschen, von seiner Verehrung im Geiste und in der Wahrheit, von der Würde und Bestimmung des Menschen, von den höchsten Zwecken und Gütern des Lebens, von der ewigen Zukunft und Vergeltung, von der himmlischen Heimath und Glückseligkeit, sind so bestimmt und deutlich, stimmen in jedem Zuge mit den Aussprüchen der Vernunft so vollkommen überein, dass schon in dieser Hinsicht an ein Gleichstellen des christlichen Dogma mit dem des Judenthums und Muselthums auch nicht im Entferntesten zu denken ist. Wie erhaben und tief wohlthuend ist namentlich die Idee und Lehre von der Versöhnung! Man mag sich diese Versöhnung vorstellen, wie man will, so orthodox oder so rationalistisch, wie man will, es ist doch ein im Innersten des Gemüths Ruhe und Frieden weckender Gedanke, dass Gott selbst dem Sünder gnädig und barmherzig sei, dass er ohne Opfer an Gut und Blut auch den tief Gefallenen zu dem Throne seiner Huld und Gnade erhebe. Die Bekehrung zu dem wahrhaften Gotte, die Lauterkeit des Herzens ist die alleinige Bedingung jener Huld und Gnade. So rein, so erhebend und beseligend hat kein Religionssystem vor, kein Religionssystem neben dem Christenthume die Versöhnung des Menschen mit Gott gedacht und dargestellt.

Die christliche Moral fordert in ihren Grundsätzen und Aussprüchen an das menschliche Wollen und Handeln eine solche Reinheit der Triebfedern und Beweggründe, in ihrem Gebote selbst der Feindesliebe eine solche Unbedingtheit und Uneingeschränktheit der edelmüthigsten Pflichterfüllung, wie sie ausserhalb des Christenthums kein Weiser der Weisen jemals geahnt, geschweige deutlich erkannt hat. Namentlich erscheint auch die Pflicht der Duldung oder Toleranz um so mehr als ein wesentlicher Bestandtheil christlicher Lebensanschauung und Lebenspraxis, je entschiedener sie von Christus selbst gefordert, durch sein eigenes Beispiel geheiligt, von seinen wahren Verehrern stets geübt, von den Anbetern Gottes im Geist und in der Wahrheit als herrschendes Princip ihrer Denk- und Handlungsweise erkannt und bewahrt worden ist. Dasselbe lässt sich vom Judenthume und Türkenthume kaum im Ein

zelnen mit höchst seltener Ausnahme sagen, und eigentlich gar nicht, ohne vorausgegangenen Einfluss christlicher Bildung oder wenigstens einiger Kenntnisse von der Christuslehre über Gott, den Vater aller Menschen, über das Verhältniss aller Menschen als Brüder zu einander. Die höchste Duldung lehrt und gebietet nur das Christenthum, die höchste Liebe lehrt und pflegt nur das Evangelium von der Beglückung des ganzen Menschengeschlechts durch Christum den Sohn Gottes, den Heiland und Seligmacher der Welt und Menschheit. Die reinste Humanität überhaupt ruht in den Christenthume als der Religion der Liebe und des Edelmuthes. Es ist nicht zu leugnen, dass im Lessing'schen Drama der Indifferentismus in Bezug auf Religion und Glauben als Wurzel und Quelle der Humanität und Toleranz erscheint. Dieser Indifferentismus hat aber nie und nirgends die segnende Kraft bewährt, welche allein in der lebensvollen Lehre des Evangeliums enthalten ist.

Mit vollem Recht ist gesagt worden, zum Wesen des Christenthumes gehöre nicht bloss die Lehre, sondern auch die Person Jesu Christi als der unversiegbaren Quelle des religiösen Lebens und des sittlichen Geistes, der in seiner Kirche waltet. In Jesu Person ist die Idee sittlicher Würde und Vollendung, das Ideal menschlicher Charaktergrösse und Seelenschönheit, zu Leben und Wirklichkeit verkörpert. Gross und erhaben bis zum Tode in Schmerz und Schmach bietet er das höchste Vorbild der reinsten Menschenliebe und des unwandelbarsten Gottvertrauens. Weder der Scharfsinn eines Philosophen, noch die Phantasie eines Dichters hat je ein so grossartiges Geistes- und Charaktergemälde zu denken und zu schaffen vermocht, als in der Persönlichkeit Jesu auf Erden zur Anschauung gekommen ist. Wer in den Kämpfen des Lebens der idealen sittlichen Begeisterung durch lebendiges Vorbild bedarf, der hebe zu Jesu dem Sohne Gottes Geist und Herz empor!

Mit wenigen Worten will ich noch der Segnungen gedenken, mit denen allein durch das Christenthum Welt und. Menschheit beglückt worden sind. Erst durch das Christenthum ist auf Erden ein zwar nicht überall den Augen sichtbares, aber ohne die Gewalt der Waffen weit verbreitetes Reich

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