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tragung und Erklärung derselben. Zu Goethe's Zeit übersetzte der Orientalist Kosegarten, der Sohn des Dichters gleichen Namens, mehrere indische Werke, namentlich das Panchatantra, oder die fünf Bücher indischer Fabeln; später folgten Schlegel, Rückert, Bopp u. A., welche theils durch getreue Uebersetzungen, theils durch Bearbeitung einzelner Theile sich um diesen Zweig der Literatur verdient gemacht haben. Was den deutschen Lesern ganz besonders anziehend an diesen fremden Geistesblüthen erscheinen musste, war neben der zarten Empfindung namentlich die Pracht der Naturschilderung. Die eigenthümliche üppige Schönheit der unermesslichen indischen Wälder, deren hohe Bäume von wuchernden Schlingpflanzen bedeckt sind, der Glanz tausendfarbiger Blüthen, die mit süssem Duft die Sinne umweben, dann die Stille des majestätisch fliessenden heiligen Stromes, an dessen Ufern eine gestaltenreiche Thierwelt wohnt - alles dieses findet sich in den Dichtungen der Inder mit lebhaftem Natursinne geschildert. Dieser lebhafte Natursinn steht im innigsten Zusammenhange mit der Lehre von der Seelen wanderung, welche auf die indischen Sagen ihrerseits wieder von grossem Einflusse war und namentlich den Thieren oft eine höhere Intelligenz beilegt. Elephanten und Affen nehmen an den Kriegszügen mitunter in sehr selbständiger Weise Theil, Gazellen und Antilopen sind die Freundinnen und Gespielinnen der Königstöchter, oder der Trost einsam Büssender.

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So unter Andern in einer Episode aus dem Mahabarata, die uns Friedrich von Schack in seinen Stimmen vom Ganges sehr schön wiedererzählt. Dort hat sich nämlich der Sohn der Sakuntala, deren Geschichte ebenfalls ursprünglich aus dem Mahabarata entnommen ist nach langer segensreicher Regierung als Einsiedler in den Wald zurückgezogen, um nur dem Anschauen Brama's zu leben. Eines Tages fand er am Stromesrande eine junge hilflose Antilope, die er zu sich nahm und an welche sein Herz sich anschloss. Durch dieses Geschöpf wurde sein Sinn wieder vom Schöpfer selbst abgezogen; es war ihm gleichsam als Versuchung zugesandt, und da sein Sinn sich wieder erdenwärts durch ein Gefühl gewendet hatte, so musste er nach dem Tode, statt zu Brama, dem Urgeist,

heimzukehren, nochmals eine Körperform durchwandern, indem er als Gazelle wiedergeboren wurde. wiedergeboren wurde. In dieser Dichtung kommt ein Gebet des Barata vor, worin es unter Anderm schön und erhaben heisst:

Höchster Welthort! Sonne des Lebendigen!

In dem Lotoskelch der ganzen Schöpfung

Schwebst Du als ihr Duft! Die Andacht bist Du
In den heiligen Schriften, bist die Weisheit

In des Sehers Geist, die Kraft im Helden
Und die Liebe in des Liebenden Seele!

Vor längerer Zeit unternahm Professor Holtzmann in Heidelberg eine sehr verdienstvolle Arbeit, indem er die beiden grossen indischen Sagenkreise einem genauen Studium unterwarf, aus dem Mahabarata sowohl wie aus dem Ramajana den eigentlichen Kern herausschälte, und alsdann auch noch mehrere der schönsten Episoden daraus selbständig bearbeitete.

Unter dem Titel „die Kuruinge" giebt Holtzmann den dem Mahabarata zu Grunde liegenden Vernichtungskampf zwischen den Geschlechtern der Söhne des Kuru und des Pandu, welche beide von göttlichem Ursprunge sind. Die geschilderten Kampfesscenen nehmen oft einen etwas verwirrenden Charakter an, ohne jedoch der Grossartigkeit in Gruppirung und Scenerie zu ermangeln.

Von den Episoden aus dem Mahabarata ist besonders die von Bopp und Rückert und neuerdings ebenfalls von Holtzmann bearbeitete Erzählung „Nal und Damajanti" viel bekannt. Die unbegrenzte Treue der Königstochter Damajanti, welche ihrem Gatten Nalas ins tiefste Elend folgt, und selbst von ihm verlassen, ihm dennoch treu verbleibt und ihn wieder aufsucht, gehört zu den rührendsten Zügen dieser uralten heiligen Dichtungen der Inder.

Im Ramajana wird die siebente Menschwerdung des Wischnu gefeiert, von dessen sechster Incarnation als Parasurama bei Gelegenheit der von Goethe bearbeiteten Legende die Rede war. Die Einleitung ist wieder eine Erzählung von ergreifender Schönheit.

Dasaratha, Ajozja's Beherrscher, als dessen Sohn Wischnu

unter dem Namen Rama geboren wurde, beabsichtigt, diesen Sohn zu seinem Nachfolger zu ernennen und ihm vom Volke huldigen zu lassen. Mit Freude vernehmen die Edlen des Landes diesen Entschluss und Rama wird zu seinem Vater beschieden, der ihn zärtlich liebt, als das Kind seiner ersten Gattin Kausalja, neben welcher der König, nach indischer Sitte, noch andere Gemahlinnen hat: Während die Vorbereitungen zum Feste der Huldigung getroffen werden, sicht eine fremde, buckelige Sclavin, Namens Manthara, welche die Zofe einer anderen Gemahlin des Königs, Keikeji mit Namen, ist, die geschmückten Strassen und festlich gekleideten Menschen. Kaum hat sie gehört, was sich begeben soll, als sie zu ihrer Herrin eilt und diese mit Vorwürfen überschüttet, weil sie die Herrschaft des Landes nicht ihrem eigenen Sohn Farata zuzuwenden suche. Keikeji, welche die intriguanten Pläne der Manthara nicht sogleich erfasst, freut sich der Botschaft, dass Rama König werden solle, denn, sagt sie, zwischen Rama und Farata macht ihr Herz keinen Unterschied.

Die boshafte Magd lasst jedoch nicht nach, ihre Herrin aufzureizen. Obgleich Keikeji alle guten Eigenschaften des Rama vorhält, so weiss die buckelige Intriguantin sie doch zuletzt umzustimmen und giebt ihr endlich den Rath, dem Könige durch List das Versprechen abzulocken, dass Farata zum Könige ernannt und Rama verbannt werden soll. Dasaratha hat in früherer Zeit aus Dankbarkeit für Keikeji, die ihm einmal das Leben rettete, dieser die Erfüllung zweier Bitten zugesagt und hierauf sich stützend, vollführt sie ihren Plan. Sie wirft ihren Schmuck von sich und bleibt weinend am Boden liegen.

Dasaratha, welcher sich in der Freude seines Herzens zur Keikeji, seinem Lieblings weibe, begiebt, um ihr mitzutheilen, was sich mit Rama zutragen soll, findet Keikeji trostlos, und sucht sie aufzurichten, indem er ihr schwört, Alles, was sie begehre, zu erfüllen. Er fügt hinzu:

Kein andrer Mensch, als Rama nur,
Der Männer bester, ist mir mehr
Und inniger geliebt als Du.

Aber wie gross ist sein Entsetzen, als das geliebte Weib gerade das Verderben des einzigen Menschen begehrt, den er mehr liebt als sie. Umsonst ist sein verzweifeltes Bitten und Flehen; sie besteht auf ihrem Begehren und er muss ihr, seines Schwures eingedenk, willfahren. Als er alle seine Bemühungen, sie zu erweichen, scheitern sieht, wendet sich sein Herz von ihr ab und in gewaltiger Zornrede giebt er seinem Schmerze und seiner Entrüstung freien Lauf.

Schon ist Rama zum Feste geschmückt und seine Freunde preisen ihn und Sita, sein geliebtes Weib, glücklich, da ruft ihn ein Bote zu Dasaratha, welcher ihn bei Keikeji erwartet. Aber der Schmerz des unglücklichen Vaters ist so gross, dass er es nicht über sich vermag, den Sohn zu sehen und anzureden. Keikeji übernimmt es, die schlimme Botschaft dem Rama mitzutheilen. Ruhig hört Rama, was über ihn verhängt ist; des Vaters Wort höher achtend als alles andere, beugt er sich dem Unabwendbaren. Er geht zurück und als er Kausalja, seine Mutter festlich geschmückt beim Opfer für sein Wohlergehen findet, theilt er ihr sein Schicksal mit, tröstet die Jammernde und beschwichtigt den aufbrausenden Zorn seines jüngeren Bruders Lakschmana. Hierauf kündigt er seiner Gattin an, dass er in die Verbannung ziehen müsse und ermahnt sie, ihm nicht zu folgen. Voll schöner Entrüstung äussert sich Sita über die Pflichten des Weibes:

Denn nicht dem Vater, nicht dem Sohn,
Der Mutter nicht und nicht sich selbst,
Nur dem Gemahle soll das Weib

Im Leben folgen und im Tod.

Umsonst malt der besorgte Gatte ihr alle Gefahren, denen sie mit ihm entgegengehe, er muss ihrem festen Entschlusse sich fügen und sie mit sich ziehen lassen. Rührend ist der Abschied des Vaters von Rama. Von Schmerz überwältigt wendet sich Dasaratha noch einmal zu Keikeji, um Gnade für sich und den Liebling bittend. Aber Rama selbst bleibt standhaft und nachdem er und Sita Abschied genommen, ziehen beide, von dem jüngeren Lakschmana begleitet, fort in den Wald

So lange noch des Scheidenden
Gestalt im Staube sichtbar war,
So lange zog Dasaratha

Von Rama nicht die Augen ab.

Und als der verstossene Sohn seinen Blicken entschwunden ist, sucht der Vater dessen Mutter, Kausalja, wieder auf, welche den gebeugten König tröstend pflegt, bis er in ihren Armen, sein Geschick beklagend, stirbt. Bald nach des Vaters Tode trifft Farata, der Sohn Dasaratha's und der Keikeji, am Hofe ein und erfährt mit Erstaunen, was vorgefallen. Mit strafenden Worten wendet er sich von der Mutter ab, unternimmt einen Zug zu Rama in den Wald und fordert diesen auf, als rechtmässiger Herrscher in sein Reich zurückzukehren. Rama aber, das Andenken an den Schwur des todten Vaters heilig haltend, verzichtet, obgleich Farata ihn kniend anfleht, und bleibt vorläufig im Walde zurück.

Wie in allen indischen Sagen, so ist auch in diesem Bruchstück des Ramajana der Triumph der Entsagung das leitende Princip. Durch Entsagung zeigt der menschgewordene Gott selbst seine Grösse, durch Entsagung steht ihm das Weib würdig zur Seite, und durch Entsagung söhnt uns Farata damit aus, dass er Rama verdrängen muss. Später tritt Rama als grosser Eroberer auf und unterjocht ganz Indien nebst der Insel Ceylon mit Hülfe eines Affenheeres, welches ihm eine Brücke von Felsen über das Meer zwischen Ceylon und dem indischen Festlande baut.

Unter den mannigfachen eingeflochtenen Episoden des Ramajana bietet die Geschichte der Sawitri wieder ein Bild der Frauentreue, so rührend und einfach schön, wie es die Volkssage eben nur in Indien aufzuweisen hat. Auch dieser Stoff ist wiederholt und ganz neuerdings von der rheinischen Dichterin Luise von Ploenies behandelt worden.

Die Göttin Sawitri erhört das Gebet des Königs Aswapati, und Malawi, dessen Gattin, schenkt ihm eine Tochter, welche der dankbare Vater nach der Göttin benennt. Als die Königs-tochter Sawitri herangewachsen ist und keiner sie zur Gattin zu begehren kommt, sendet der Vater sie aus, sich selber einen Mann zu wählen. Sie erwählt Satjawat, den Sohn des ver

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