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Girardin seine politische und moralische Kenntniss des Mittelalters geholt hat, so wird mir seine Unbekanntschaft mit demselben erklärlich.

Zudem ist auch d'Assaillys Kenntniss der Sprache vollständig ungenügend. Man hat wohl gelacht, wenn ein namhafter Faustübersetzer an der Stelle: heisse Magister, heisse Doctor gar, vom docteur Gar sprach, wenn Marmier Rabend. h. Ravennaschlacht durch bataille des corbeaux übersetzte, wenn ein anderer bekannter Schriftsteller Meinigen für einen Eigennamen hielt und nun Tell sagen lässt: me voilà sur le Meinigen; man könnte in unserem Autor eine reichliche Lese ähnlicher Missverständnisse halten. Er sagt z. B. bei dem Abenteuer Lichtensteins: l'absurde créature saisit l'échelle, la retourne et Ulrich tombe; da im Text es sich ganz anders verhält, dort nur von Betttüchern die Rede ist, die jener losliess, so scheint er das Wort lailachen, das doch noch nicht erloschen und in der Form Laken gäng und gäbe ist, mit Leiter zu übersetzen; er macht, wenn der Vogel Galidrot und seine Jungen erwähnt wird, daraus l'histoire du puissant Galidrot et de ses fils und wenn Walter sich tröstet:

ich kan aber endes niht gewinnen:

darumbe waere ich nu verzaget

Wan daz s'ein wenik lachet, so si mir versaget,

so lässt er ihn das Gegentheil sagen: Quelle serait ma joie, si vous me fermiez la bouche avec un sourire. Andere Beispiele kann man bei Pey selbst nachlesen; ich würde nicht fertig, wollte ich alle solche Verstösse rügen; auch sind das nur wahre Kleinigkeiten, die für uns Pedanten, Engländer, Deutsche und andere gewissenhafte Barbaren von Wichtigkeit sind, aber nicht für einen geistreichen, genialen Franzosen, der an der Spitze der Civilisation marschirt. Wie lächerlich, wenn ein Luther, um gut zu übersetzen, selbst bei Fleischern über den besten Ausdruck sich Rath erholte, wenn ein Voss sich mitunter acht Tage lang mit einem Verse trug; sie hätten sollen bei d'Assailly und Genossen in die Schule gehen, da hätten sie es leichter gehabt. Eine der angesehensten Zeitschriften, die existiren, die Edinburgh Review in ihrem Januarhefte 1856 bei einer Kritik

der Guizotschen Geschichte, also bei einem Buche, wo es wesentlich nur auf den Inhalt, weniger auf die Form anzukommen scheint, hält es nicht unter ihrer Würde, dem englischen Uebersetzer auf mehreren Seiten Schritt für Schritt zu folgen, ihm die geringste Abschwächung des Ausdrucks, die unbedeutendste Aenderung des Sinns, einen kleinen, vielleicht im Interesse des Stils gemachten Zusatz, aufzumutzen. Sagt er z. B. statt History of the Commonwealth of England and of Cromwell: History of Cromwell and the Commonwealth; fügt er, wenn es im Texte heisst l'éclat de leurs actions et de leur destinée in der Uebersetzung: the splendour of their actions and the magnitude of their destiny das Wort magnitude, vielleicht nur des besseren Stiles wegen, wie er wohl meinen mag, hinzu, gibt er repousser durch das schwächere refuse wieder; heisst es für on ne voulait pas faire éclater les dissensions des républicains: to originate dissensions would, it was felt, be madness oder statt il était l'âme (de la commission) nur he was the chief, so wird er gehörig abgekanzelt; es wird bedauert, dass diese mangelhafte, autorisirte Uebersetzung nun einmal da und keine Abhülfe möglich sei, und es wird aufgefordert, allen Uebersetzern streng auf die Finger zu sehen, um die Unfähigen durch Furcht vor Tadel zurückzuhalten und die Tüchtigen durch Aussicht auf verdientes Lob zu ermuthigen. Der Kritiker will eben den Schriftsteller möglichst genau wiedergegeben haben, so weit das angeht, denn, sagt.er' mit Recht: The lights and shades of style indicate the bias of an author's mind. Man wird mir, meint er, vielleicht entgegnen, meine Ausstellungen gingen nur aus Kleinigkeitskrämerei hervor. But let it be understood that the last seven of them all arise out of a single paragraph, and that the last six are all on the same page; and let any one conceive what murder is done upon the soul of a book, 700 pages long, when a translator sits down in this manner to the work of killing it by inches.

Solche Ansprüche machen andere Nationen an ihre Uebersetzer; und nun vergleiche man, wie die Franzosen meistens zu Werke gehen und welches Morden unter den Schönheiten eines Werkes da gewöhnlich angerichtet wird. Sagte doch dieser Tage erst Philarète Chasles selbst, in seinem Cours am

Collége de France, als er von der Nothwendigkeit sprach, endlich einmal die Literatur anderer Völker zu studiren: oui, nous avons des traductions de l'anglais, mais prenez la première venue et vous trouverez à chaque page un contre-sens.

Aber nicht allein, dass sie die fremde Sprache so oft nur unvollkommen beherrschen und also Fehler, wie ich einige angeführt, auch ganz berühmten Leuten begegnen; nicht allein dass bei der Uebertragung in ihre akademische Salonsprache von dem Geist des Originals, von der Form und dem Sinn oft wenig überbleibt, dass Heines: „wenn Du eine Rose siehst,. sag, ich lass sie grüssen" bei Taillander lautet: si tu aperçois une rose, dis lui que je lui envoie mes plus empressés compliments, so wissen sie oft auch heute noch nicht, dass der Uebersetzer seinen Stolz in eine möglichst genaue Wiedergabe des Originals setzen, dass er keinen andern Zweck haben, nicht von seinem Eigenen geben soll; sie besitzen nicht die nöthige Achtung vor dem Texte, sie unternehmen es nach Belieben zu ändern, nachzuahmen, zu verschönern, dem Geiste ihrer Nation und ihrem Geschmacke anzupassen; ganz besonders aber da, wo ihre Kenntniss der Sprache nicht ausreicht oder wo eine Uebertragung die geringste Schwierigkeit böte, scheint ihnen eine Umschreibung oder eine Aushülfe ihrer Erfindung stets unendlich wünschenswerth. Wir haben wohl Alle gelegentlich über die Travestirungen gelacht, welche die Alten in den französischen Uebersetzungen der Zeit Ludwig XIV. erfahren, wenn bei Madame Dacier Homer die Muse mit: Chantez, Deesse anruft, wenn man wie P. L. Courier bemerkt, statt den Cyneas einfach sagen zu lassen: Romains et vous, Sénat, assis pour m'écouter, ihm die Worte in den Mund legt: Messieurs, puisque vous me faites l'honneur de vouloir bien entendre votre humble serviteur, j'aurai celui de vous dire. Herodote, sagt derselbe Schriftsteller in der vortrefflichen Vorrede zu seiner Herodotübersetzung, dans Larcher, ne parle que de princes, de princesses, de seigneurs et de gens de qualité, ces princes montent sur le trône, s'emparent de la couronne, ont une cour, des ministres et de grands officiers, faisant le bonheur des sujets; les princesses, les dames de la cour, accordent leurs faaux jeunes seigneurs. seigneurs. Chez Hérodote les princesses

veurs

mènent boire les vaches, trouvent de jeunes gens etc. Aber trotz Couriers und der Romantiker ist diese Manie zu umschreiben und zu verschönern, zu entstellen und zu ändern, durchaus noch nicht erloschen. Vous comprenez, sagte kürzlich ein Uebersetzer Uhlandscher Gedichte zu einem Deutschen, que j'ai dû changer beaucoup, il y avait-là des contradictions que je ne pouvais laisser subsister, und so werden dann unsere ersten Dichter von einem beliebigen Literaten mit Verbesserungen herausgegeben und die Widersprüche in ihnen ausgeglichen. In der Revue de l'Instruction publique ward dieser Tage von Legrelle zugegeben, dass Göthe bisher so behandelt sei, dass man die Franzosen gleichsam allmälig an den unverfälschten Sinn hätte gewöhnen müssen; aber, wenn, bei der neuesten Uebersetzung Porchat mit seinen Genossen sich eben bemüht, die Schwierigkeiten zu lösen und nicht zu umgehen, so ist vielleicht noch nicht ausser Acht zu lassen, dass Porchat Waadtländer ist und als solcher von vorn herein Gewissenhaftigkeit und Achtung vor den Pflichten eines Uebersetzers mitbringt; die romanischen Schweizer sind ja überhaupt den Franzosen an Kenntniss der deutschen Sprache und Literatur unendlich überlegen.

D'Assailly ist nun auch beständig mehr beschäftigt, seinen Geist zu zeigen und seine Bemerkungen hinzuzufügen, als in den Geist seiner Dichter einzudringen und seine ganze Ausdrucksweise etwas dem Gegenstande anzupassen. Da heisst es: L'hiver, cette longue trève de la nature, suspendait les tournois oder Ce qui donne un charme particulier au talent d'Ulrich, ce n'est point uniquement la grâce ou la vigueur, c'est surtout le naturel et l'imprévu. Une larme devient une élégie, une espérance enfante une ode. Er unterbricht die Inhaltsangabe von Tristan und Isolde in der Mitte z. B. durch ganz moderne Phrasen wie: à 15 ans l'âme est une terre vierge; lorsque la douleur jette ses germes amers, la plante hâtive plonge ses racines à d'immenses profondeurs. In seinen angeblichen Analysen wird die Farbe des Originals bis zur Unkenntlichkeit verwischt und durch seine Zusätze das Gemälde entstellt. Man höre z. B. den Anfang des Parcival: Voici une forêt profonde; le vent du nord souffle à travers les branches

d'arbres, et les nuées, ces feuilles du ciel, tourbillonnent au-dessus du bois. L'eau murmure sous la bruyère. Quelques oiseaux chantent. Un gracieux enfant contemple cette solitude, que son âme limpide a reflétée jusque-là comme une source réfléchit ses bords etc., wo denn nachher grade der bezeichnende Zug mit den Vögeln ausgelassen wird.

Wie er endlich die Gedichte, die er vorgibt zu übersetzen und er thut das in Prosa, so dass ihm nicht die Ausrede bleibt, dass der Vers ihn zu Aenderungen genöthigt, häufig nur gleichsam als Grundthemata benutzt, auf denen er sich in Variationen ergeht, wie er den Sinn ganzer Zeilen bis zur Unkenntlichkeit entstellt, mögen zwei Proben zeigen: Walter sagt: (S. 267 der Hagenschen Ausgabe, die er auch benutzt hat).

Durchsuezet unt gebluemet sint die reinen vrouwen;
Ez wart nie niht so wunnekliches anzeschouwen;

In lüften, noch uf erden, noch in allen gruenen ouwen;
Liljen unde rosen bluomen, swa die liuhten

In meien touwe durch daz gras, und kleiner vogelin sank

Daz ist gegen solher wunne bernden vröude krank

swa man ein schoene vrouwen siht, daz kan trueben muot erviuhten etc.

Dafür sagt d'Assailly: L'âme d'une femme pure est une brise pleine de parfums enivrants, un souffle embaumé de fleurs; jamais on n'a rien vu d'aussi délicieux dans les airs, où voltigent les nuées, sur la terre, où s'arrondissent les verts ombrages. Auprès de cette beauté des jeunes filles, auprès de la volupté qu'on éprouve à les admirer, les roses et les lis, lors même qu'ils brillent par une fraîche matinée de mai, sous un voile de rosée, dans le gazon, paraissent sans couleur, le ramage des oiseaux semble sans harmonie.

Ulrich von Lichtenstein sagt (II, 34):

Sumer ist nu gar zergan,
geswigen sint die vogellin;
Des muoz ich vil trurik stan
Und in dem herzen jamerk sin
Winter, und ein ander leit

Die geben mir ofte sen den muot, si hant mir leider
beide widerseit.

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