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Schooss, wohl, Mond, hoch,
Heer, Beet, fehlt, hebt;

der offene (Suono aperto oder largo) hingegen derjenige, mit welchem beide Vocale, jeder nach seiner Art, dem Laute des A zustreben, wie etwa in der (den vorstehenden möglichst ähnlichen) Wörtern:

schoss, voll, blond, doch,

Herr, Bett, Feld, Heft.

Jenen geschlossenen Laut bezeichnen die Grammatiker als den gewöhnlichen oder vorherrschenden, indem sie ihn der Menge der unbetonten Sylben zuschreiben. Fernow (ital. Sprachlehre, 3 Aufl. 1829; S. 10) sagt dabei: „ohne Ausnahme," und auch Herr Mussafia gebraucht in der erwähnten Recension diesen Ausdruck. Blanc (Gramm. der ital. Sprache, 1844; S. 42 u. 48) sagt: „Jedes unbetonte O und E ist geschlossen," und eben so Diez (Gramm. der romanischen Sprachen, Th. I. S. 312 u. 315 der 2. Aufl. 1856). Nur Valentini (Gründliche Lehre der ital. Aussprache etc., 1834) behauptet im Gegentheil (S. 2), dass sich unbetontes O und E nur dem Suono aperto, dem offenen Laute nähere.

Der offene Laut hingegen soll, dem Zeugnisse der Grammatiker zufolge, mit dem geschlossenen abwechselnd bloss in der betonten Sylbe vorkommen. Sie betrachten ihn deshalb gewissermassen als die Ausnahme; denn die betonte Sylbe, sagen Fernow (S. 10) und Blanc (S. 42) sey in jedem Worte nur eine. Nur Valentini erkennt ihn, nach der so eben angeführten Bemerkung, auch, und sogar vorherrschend, in der unbetonten Sylbe an.

Die Grammatiker beschränken sich also bei der Unterscheidung der offenen und geschlossenen Aussprache, mit Hintansetzung der unbetonten Sylben, auf die betonten allein. Die Sache wird dadurch um Vieles einfacher. Dennoch sind die Schwierigkeiten, welche sie dabei empfinden, beide Arten der Aussprache im Einklange mit der wirklich beobachteten auf ein durchgreifendes Gesetz zurückzuführen, auch bei dieser Beschränkung noch so gross, dass deren Lösung, aller darauf verwandten Mühe ungeachtet, ihnen selbst geradezu unmöglich er

scheint. Den umständlichst darüber aufgestellten Regeln gegenüber erklärt Fernow (S. 9):

,,Die Aussprache dieser verschiedenen Laute wird nicht in allen Provinzen Italiens in den gleichen Wörtern gleichmässig beobachtet. Viele Wörter, die in der einen Gegend mit der E stretta gehört werden, hört man in einer andern mit der E larga; und statt der O aperta in dieser, tönt in jener die O chiusa. Da diese Verschiedenheit der beiden Laute in der Schrift nicht besonders bezeichnet, sondern gewöhnlich bloss aus dem Gebrauche erlernt wird: so ist es nicht dem Ausländer allein, sondern auch dem Italiener selbst schwer, die richtige Aussprache des E und O in jedem Falle zu beobachten, wenn er nicht ein geborener Toscaner oder Römer ist; denn auch hier gilt die toscanische und besonders die florentinische Aussprache, mit welcher die römische fast gänzlich übereinstimmt, als Muster."

Valentini sagt a. a. O. Seite 4:

„Obige Regeln über den Laut des E und O, das Resultat mehrjähriger mühevoller Nachforschungen, bestimmen die Aussprache von etwa sieben Achteln aller betreffenden Wörter. Abgesehen davon, dass in den verschiedenen Provinzen Italiens auch die Aussprache dieser Vocale modificirt wird, ist es rein unmöglich, alle Wörter unter bestimmte Regeln zu fassen. Um aber dem Deutschen jeden Zweifel zu benehmen, habe ich in meinen Wörterbüchern in denjenigen Wörtern, welche sich nicht unter allgemeine Regeln bringen lassen, die Vocali aperte mit einem Circumflex, und die Vocali chiuse mit einem Acut bezeichnet. "

Blanc äussert sich (S. 41) folgendermassen:

„Fragen wir, in welchen Fällen das E und das O aperto oder chiuso sey, so antworten uns die ältesten und bewährtesten Florentiner, Bu om mattei: dass er selbst in Toscana habe streiten hören, ob Stella, Ancella, Empio mit offenem oder geschlossenem E zu sprechen sey; Manni: auch er habe streiten hören, ob in sono (sum) das erste O offen oder geschlossen, und dass überhaupt nur der im

Stande sey, richtig zu sprechen, welcher in Florenz selbst längere Zeit gelebt habe, da schon einige Miglien davon und viel mehr noch in andern Theilen Italiens die Aussprache ausserordentlich abweiche und keiner mit dem andern übereinstimme. Derselbe Manni wirft dem Trissino, welcher doch ein höchst gebildeter Mann war und in den vornehmsten Verhältnissen in Rom gelebt hatte, vor, er habe die toscanische Aussprache nicht recht gekannt; dasselbe behauptet auch Salvini (in den Noten zum Buommattei). Und überblickt man das Chaos von Regeln, welche von älteren und neueren Grammatikern aufgestellt worden. sind, um diese Aussprache des E und des O zu bestimmen, Regeln, welche sich stets zum Theil wieder einander aufheben und wobei der Ausnahmen unzählige sind: so möchte man allerdings verzweifeln, die Sache auch nur einigermassen auf feste Grundsätze zurückführen zu können.“ Man ersieht hieraus die geringe Befriedigung, welche die Versuche, den offenen und geschlossenen Laut des O und E auch nur in der Tonsylbe gehörig zu unterscheiden, gewährt haben. Betrachtet man nun die darüber aufgestellten Regeln selbst so ist die wichtigste (vielmehr die einzige, die den Werth einer solchen hat) diese, dass der Tonsylbe der geschlossene Laut überall da zukomme, wo das O und E derselben auf einem lateinischen U und I beruhe, wie z. B. in den Wörtern

ónda (unda), nétto (nitidus).

Die Ausnahmen davon, wie z. B. nózze (nuptiae), cétera oder cétra (cithara), und diejenigen Fälle, welche sich nicht auf lat. U und I zurückführen lassen, werden dann theils einzeln aufgezählt, theils durch den Accent, theils durch die Einwirkung der nachfolgenden, bei Jagemann (ital. Sprachlehre, 3 Aufl. 1811) und Ferno w auch selbst der vorangehenden, Consonanz zu erklären versucht.

Diez ergänzt nun diese Auffassung in sehr erheblicher Weise dadurch, dass er auch die Quantität der lateinischen Urvocale mit in Anschlag bringt. Er führt aus, dass geschlossenes O und E einerseits aus langem lat. O und E, andrerseits aber aus U und I hervorgehe, wenn diese Vocale im Lateinischen entweder von Natur kurz, oder doch nur durch

Position (durch ihre Stellung vor mehr als einem Consonanten), also nicht unbedingt und an sich selber lang gewesen seyen; wogegen kurzes oder bloss positionslanges lat. O und E so wie lat. Au und Ae ein offenes ital. O und E zur Folge habe. Es entstehe also

geschlossenes O aus lat. ō, u, u in Position,
geschlossenes E aus lat. e, i, i in Position;

und dagegen

offenes O aus lat. au, o, o in Position,

offenes E aus lat. ae, ě, e in Position.

Vermöge dieser genaueren Unterscheidung ist Diez allerdings im Stande, die Aussprache des O und E für eine weit grössere Anzahl von Fällen zu bestimmen als seinen Vorgängern gelungen ist. Gleichwohl bleiben auch so noch eine Menge unerklärter und unerklärbarer Ausnahmen übrig, und Herr Mussafia bemerkt hierzu in der gedachten Recension:

,,Dass sich manche Ausnahmen ergeben und die Angaben der Grammatiker verschiedener Zeiten und Orte nicht immer übereinstimmen, wird man bei dem sehr geringen Unterschiede zwischen den beiden Lauten wohl er

warten."

Mehr aber als die Ausnahmen erregt die Beschaffenheit des von Diez aufgestellten oder erweiterten Lautgesetzes selbst ein, wie mich dünkt, gerechtes Bedenken. Denn trotz seiner man kann wohl sagen überraschenden Schönheit ist dies Gesetz doch sichtbar von der Art, dass es mit Sicherheit nur von Einem vollzogen werden könnte, welcher sich stets der ganzen Qualität des lateinischen Urvocales deutlich bewusst wäre. Allein gesetzt auch, es wäre unbestrittene Thatsache, dass im Munde des (gebildeten) Italieners das betonte O und E in Wörtern wie

óra (hora), móglie (mŭlier), tóndo (rotundus) méco (mēcum), cénere (cinis), émpio (impius) durchgehends geschlossen lautete, und dagegen in óro (aurum), fóglio (folium), póndo (pondus)

gréco (graecus), génere (genus), témpo (tempus)

eben so durchgehends offen: so würde sich doch schwerlich behaupten lassen, es geschehe dies im Bewusstseyn von

der Dauer, Stimmung und Stellung, welche der bezügliche Vocal in der lateinischen Urform dieser Wörter gehabt habe. Nicht einmal der gelehrte Italiener würde hierüber jeder Zeit im Klaren seyn. Im Gegentheil würde es bei der verführerischen Aehnlichkeit, mit welcher diese und andere Wörter in ihrer jetzigen Gestalt neben einander stehen, nicht auffallen dürfen, wenn man, ohne Berücksichtigung des ursprünglichen Unterschiedes, gelegentlich das eine nach dem Muster des andern ora wie oro, meco wie greco u. s. f. oder umgekehrt aussprechen hörte, was nach den obigen so vielfach wiederholten Geständnissen über die in Italien selbst herrschenden Schwankungen der Aussprache unzweifelhaft vorkommen wird. Vielmehr müsste das Auffallende gerade darin gefunden werden, dass Wörter, welche so gleichartig geworden sind - Wörter wie ora und oro, moglie und foglio, tondo und pondo, meco und greco, cenere und genere, empio und tempo,*) oder anderweitig pozzo (puteus) und nozze (nuptiae; trotz der Position ausnahmsweise mit „,offenem" O), legge (lex, legis) und gregge (grex, grěgis) u. dgl. m. dennoch in ihrer Aussprache nicht übereinstimmen, sondern einander widersprechen sollen. Noch mehr befremdet es, wenn in Wörtern wie

volto, volpe penna, seta

das O und E auf Grund des lat. vultus, vulpes, pinna, sēta geschlossen verlangt wird, während es doch nach der im Lateinischen gleichfalls gangbaren Schreibart voltus, volpes, penna, saeta im Gegentheil offen seyn könnte oder müsste. Homonyma, von denen Blanc (S. 52 flg.) eine grosse Anzahl verzeichnet und auch Diez (S. 314 und S. 316) nicht wenige anführt, durch die Aussprache zu unterscheiden wäre vielleicht wünschenswerth; nachdem aber die lateinische (oder sonstige) Urform im Bewusstseyn erstorben ist: hat die Vorschrift, dass z. B. das aus togliere (tollere) zusammengezogene torre mit offenem, das aus turris entstandene dagegen mit geschlossenem O, oder dass mezzo im Sinne von mědius mit offenem, im Sinne von

*) Das dem empio noch ähnlichere tempio (templum) soll allerdings, aber „ausnahmsweise," ein geschlossenes E haben, kein offenes, wie tempo.

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