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Vorrede.

Wie unsere Gesellschaft seit ihrem öffentlichen Auftreten mit

dem Jahrbuch 1820 sich mannigfaltig verändert und im vorigen Jahre sich wieder, auf neue Weise, erweitert hat, berich ten die dieses neue Jahrbuch eröffnende Darstellung ihrer ganzen Geschichte und die das erste Heft beschließende Uebers ficht ihrer Thätigkeit in solchen neuen Verhältnissen. Diese neue Gestalt der Gesellschaft brachte auch eine veränderte Einrichtung ihres Jahrbuches mit. Die Theilung desselben in Vierteljahreshefte schien für den lebhafteren Verkehr der Gesellschaft unter sich, wie mit den äußeren Kreisen, erforderlich. Den Umfang ihrer Arbeiten, von welchen zuvörderst eine Auswahl zur öffentlichen Mittheilung in diesen Blättern bestimmt ist, ergibt schon der Titel ausführlich; derselbe schließt, mit den Deutschen Alterthümern überhaupt, auch insonderheit die Altdeutsche Kunst ein. Es ist demnächst die Absicht, jedes Heft mit dem ersten oder berichtigten Abdruck eines wichtigen Altdeutschen Sprachdenkmals auszustatten.

dem Unterzeichneten übertragen, der sich dieses ehrenvollen Auftrages gern zu aller Zufriedenheit entledigen möchte, und auch die den Herausgebern von Zeitschriften gesetzlich obliegende Verantwortlichkeit willig übernimmt, jedoch, versteht sich, damit nicht auch die wissenschaftliche Verantwortung der einzelen, sämmtlich von genannten Verfassern herrührenden Beitråge übernehmen darf. Derselbe bemerkt nur noch, in Bezug auf seine in diesen Heften schon mehrmals (S. 28. 33. 170) angeführte Ausgabe der Minnesinger, daß diese möglichst vollständige, mit allem Zubehör ausgerüstete Sammlung unserer lyrischen Dichter des zwölften bis vierzehnten Jahrhunderts, bis auf einige Lebensbeschreibungen, schon fertig gedruckt ist, zuleht nur durch Mangel eines gleichartigen Papiers verzögert worden, und binnen wenigen Monaten vollständig ausgege ben wird.

Berlin, 8. Juli 1835.

F. H. v. d. Hagen.

I.

Ueber den Zweck einer deutschen Gesellschaft

und

Uebersicht der Geschichte der unsrigen.

(Vorgelesen am Sten Januar 1835, bei Uebernahme des Ordneramtes.)

V. A. Es waren am vergangenen vierten Januar zwanzig Jahre seit Stiftung dieser Gesellschaft verflossen, und wir feiern heut ihr zwanzigstes Stiftungsfest, darum erschien es mir, (vorzüglich in Beziehung auf die geehrten Mitglieder, welche erst seit dem legten Jahre unserm Verein angehören) nicht unwichtig bei meiner Uebernahme des Amtes eines Ordners, wozu mich das Vertrauen der Gesellschaft zum viertenmäl seit ihrem Bestehen erwählt hat, einige Nach= richten und Betrachtungen über die Geschichte unserer Gesellschaft an die Beantwortung der Frage anzuknüpfen:

was überhaupt der Zweck einer Gesellschaft für deutsche

Sprache sein kann?

wobei sich ergeben wird, wie oft dieser Zweck verfehlt worden ist, oder wie weit man ihn bei ähnlichen Gesellschaften in den vergangenen Zei ten falsch aufgefaßt hat..

In jenen schönen Jahrhunderten, wo unsere Sprache in ihrer ersten Herrlichkeit dastand, wo die großen Meisterwerke unsterblicher Sänger gehört wurden und Rittergedichte und, Minnelieder kund tha= ten, daß ihr Lenz erschienen sei, dachte man nicht an Sprachgesellschaften: aber die Sänger, welche von Burg zu Burg, von Hoffesten und Turnieren zu einsamen Burgherren zogen, kämpften, wie auf Thürin gens Wartburg, mit einander im Liedesstreite, und neue Kraft der Sprache, Schönheit ihrer Wendungen, Lieblichkeit des Reimes wurde

sichtbar überall in dem lebendig geübten Worte, und was sich im Liede begrüßte, schloß auch inniger und herzlicher sich aneinander, daß ein großer Dichter- und Sängerbund über das ganze Deutschland sich verbreitete, wie die Sammlung der Manessen uns davon reiche Kunde giebt. Dieses goldene Zeitalter wird uns nicht wiederkehren, seine Blüten sind längst verwelkt und keine künstlichen Versuche können sie zurückführen, wie auch träumende schwärmerische Geister, welche die Welt draußen nach der beschränkten in ihrer Brust gestalten wollen, es wünschen und herbeiführen möchten. Damals nun, wo Alles ein aufkeimendes Leben verkündete, war auch nicht nöthig, die Sprache irgend wie zu reinigen oder zu veredeln; denn das Fremde, was Bekanntschaft mit wälschen Dichtern aufgenommen hatte, konnte nicht für Verunstaltung gelten, und wollte sich auf keine Weise als erstickendes Unkraut zeigen, welches die deutschen Blüten zu überwachsen und zu vernichten gedrohr hätte, und edel zeigte sich die Sprache überall, weil sie aus treuen deutschen Herzen hervorging und das Buhlen mit dem Auslande noch nicht den Sinn deutscher Männer vergiftete.

Als aber jenes jugendliche Alter vorübergegangen, als in den kommenden Jahrhunderten an die Stelle der Dichtkunst, welche mit dem Glanze und der Herrlichkeit Hohenstaufischer und deutscher Herrschaft erlosch, der prüfende Verstand getreten war; als die Kenntnisse der Alten wieder auflebten, und statt der freudig umherziehenden Sänger, in Büchern vergrabene Gelehrte die Pfleger der Spraché sein sollten und die Schäße der Wissenschaften nur aus fremden Sprachen zu Tage förderten; als dann der Kampf der neuen und alten Glaubensformen alle Seelen ergriff und der Streit mit Fremden und Einheimischen in fremder Zunge geführt wurde; als Deutschland selbst sich spaltete, und Oesterreichs Uebermacht die evangelische Kirche zwang, die Hülfe der Wälschen zu suchen, deren Macht und Sitte immer ge= waltiger über Deutschland heranwuchs: da war die Zeit gekommen, wo edle Männer meinten, solch hercinbrechendem Verderben durch Stiftung deutscher Gesellschaften einen festen Damm entgegenseßen zu müssen.

So erschien der Zweck solcher Gesellschaften ein doppelter, nämlich auf der einen Seite ein politischer, welcher alle Theilnehmer für deutsche Sitte und deutsches Recht empfänglich machen und kräftigen sollte, gegen die verderblichen Einflüsse fremder Herrschaft zu kämpfen; und ein wissenschaftlicher, welcher auf zwiefache Weise

aufgefaßt wurde, nämlich die deutsche Sprache, sei es durch neue Hervorbringungen vörzüglich in deutscher Dichtkunst, sei es durch Reinigung der Sprache im Verbannen alles Fremden, was man ihr aufgedrungen hatte, oder im Zurückführen auf vermeintlich bessere und einfachere Formen, zu veredein und die früheren Schäße dersel= ben, welche im Laufe der Zeit verloren gegangen waren, wieder zu Lage zu fördern.

Dies Alles ist unstreitig mehr oder weniger, bald alle, bald nur eine der genannten Richtungen verfolgend, der Zweck der deutschen Sprachgesellschaften des siebzehnten Jahrhunderts gewesen; denn was man sonst noch als Hauptzweck solcher Vereine angeben könnte, nåmlich ein großes bedeutendes Werk der Sprache durch gemeinsame Kraft hervorzubringen, ist meines Wissens niemals als Zweck einer jener Vereine angegeben worden.

Die Hauptgesellschaft jener Zeit nämlich, die fruchtbringende Gesellschaft oder der Palmenorden, gestiftet den 24sten August 1617 (durch Caspar v. Teutleben, Ludwig und Johann Cas simir Fürsten zu Anhalt, drei Herzoge v. Weimar und andere Herren, auf dem Schlosse Hornstein bei Weimar) spricht es als ihren Zweck aus: deutsche Art und Sitte zu erhalten und die hochgeehrte Muttersprache in ihrem gründlichen Wesen und rechtem Verstande ohne Einmischung fremder ausländischer Flickwörter, sowol in Reden, Schreiz ben, Gedichten, aufs ́allerzier- und deutlichste zu erhalten und auszu= üben und auch soviel möglich bei andern zu bewirken; aber auch deutsche Denkmähler aus der Vergessenheit hervorzuziehen. Die bald wieder verschwindende aufrichtige Tannengesellschaft (von Jes. Rempler v. Löwenhalt zu Straßburg 1633 gest.) hat wol kaum einen andern Zweck gehabt, als eine unbegründete Rechtschreibung einzuführen und fremde Wörter (auf eine wenig ansprechende Weise) zu verdeutschen. In größerem Maaßstabe war diese Reinigung von fremden und falschen Wörtern und Formen der Zweck der Teutsch gesinnten Genossenschaft, welche der bekannte Philipp v. Ze= sen 1643 zu Hamburg stiftete; die Gesellschaft der Pegnißschäfer aber oder der gekrönte oder der pegnesische Blumenorden, vom gelehrten Georg Phil. Harsdörfer 1644 zu Nürnberg ge= stiftet und noch jezt bestehend, wollte zunächst dichterische Werke, vor nämlich Schäfergedichte fördern, dann aber besonders die Muttersprache ausbilden; und Joh. Rists verunglückter Schwanen

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