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Poesie die größte Frivolität mit den Verhältnissen der Liebe und Ehe trieb, nämlich durch Hoffmannswaldau und seine Schule zu Ende des 17ten Jahrhunderts, z. B. in Hoffmannswaldau's Gedichten 1. Th. S. 86. (Ausg. von 1697) und öfter; dann zunächst bei dem ersten und kräftigsten Gegner dieser Schule, Christian Wernike, im fünften. Buche der Epigramme S. 110:

Der gute Balbus sagt, er hätte nie gedacht,

Daß auch ein häßlich Weib den Mann zum Hahnrey macht.

Aber schon zu dieser Zeit war der Ursprung des Wortes, wenig stens der zweiten Silbe desselben, nicht mehr klar, denn in folgendem Epigramm zerlegt Hoffmannswaldau das Wort in die Bestandtheile Hahn und Reh (Hoffm. Ged. 2. Th. S. 134):

Man hat mich offtermahls genennet hahn und reh,
Nach diesem als ich kaum war kommen in die eh:

Der todt der nahm mich doch, ließ sich's nicht fechten an,
Ob ich ein rechter Mensch, ein reh sey oder hahn.

Es ist dieses Gedicht nämlich die Grabschrift: Eines bequemen Mannes.

Die Etymologie des Wortes hat aber die Sprachforscher von Leibniz bis Leonh. Frisch sehr beschäftigt, ohne ein sicheres Resultat herbeizuführen; seit Frisch hat man, so viel ich weiß, das Wort ruhen lassen. Mehrere haben es aus dem Isländischen herleiten wollen, namentlich die leyte Silbe, die Leibniz aus ri, von dem isländischen runa, schneiden, entstanden denkt, und dann Hahurei erklärt, für einen verschnittenen Hahn, Kapaun. Wachter führt im, Glossar eine Ableitung der ersten Silbe von dem Angelsächsischen Heanra, Pöbel, Volk, und der zweiten von dem Isländischen ria, spotten an, so daß das Ganze bedeuten solle: aller Leute Spott. Eckard erklärt die legte Silbe aus dem nordischen rehe, müde, also Hahnrei ein abgematteter oder unbrauchbarer Hahn oder Ehemann. Ihre endlich meint, es sei das bretagnische Hannerey, was freilich ähnlich klingt, aber die Hälfte bedeutet; indeß stößt er sich nicht sehr daran, daß man mit dieser Bedeutung nicht viel Gescheidtes anzufangen weiß, ins dem er sagt, es bedeute hier einen Ehemann, der die Rechte des Ehebettes nur halb genießt. Diese Ableitungen werden indeß, als höchst gezwun gen, wohl Niemanden befriedigen; überhaupt werden die alten nordischen Dialekte hier wohl wenig Hilfe gewähren, da das Wort so neu ist. Am wahrscheinlichsten erscheint im ersten Augenblick immer noch

die Erklärung welche Wachter im Glossar schon andeutet, Leonhard Frisch im Wörterbuche p. 397 aber genauer ausführt, daß das Wort gar nicht für ein Compositum von Hahn zu halten sei, sondern füs eine verderbte Aussprache des italiänischen cornaro, des Hornträgers, welches vielfältig in der Bedeutung Hahnrei vorkommt, so wie das entsprechende französische cornard. Aus jenem Worte nun sei Hahnrei entstanden, inden e in h übergegangen sei, wie schon in Horn aus cornu, und öfter, und nach Versehung der 2 Liquiden r und n in n und r habe Hahnrei sich zuerst gebildet aus honraro. Nun kann man zwar diese lehte Umstellung der Liquiden allerdings als möglich zugeben, indem sich selbst im Deutschen manches Analoge dazu findet, 3. B. bernen und brennen, fruchten und fürchten u. a.; auch haben sich allerdings mehrere aus fremden Sprachen stammende Wörter gefallen lassen müssen, im Munde des deutschen Volkes ein ganz eigenthümliches Gewand anzulegen, an denen man nicht einmal immer Buchstabe für Buchstabe den Gang der Corruption nachweisen kann, wie der tölpelhafte Pulcinella im Niederdeutschen zu einem Pugnelleken geworden ist, und Osterluzei und Baldrian jezt wenig Verwandtschaft mit aristolochia und valeriana zu haben scheinen; wie auch auf ähnliche Weise die älteren Römer Catamitus aus Ganymedes, und die Türken Effendi aus avvévτns gebildet haben, und dergleichen viele. Aber dennoch hat Frischens Ableitung etwas Gezwungenes, da die Deutschen schon den Stamm von cornaro in dem allgemein gangbaren Worte Horn hat= ten; sie werden sich also nicht einen neuen Stamm Hahn daraus ges macht haben. Ueberdies liegt der Gedanke an Hahn wirklich sehr nah bei dem Begriffe des Hahnrei, wenn wir auf die spottende, überall bemerkte Umdrehung der Begriffe Rücksicht nehmen; der Hahn kann, als ein Wesen, das, wie offenkundig, das böse Beispiel der Vielweiberei giebt, wohl mit dem Bocke in eine Klasse gesezt werden, und zum Spotte dienen für Männer, die nicht einmal einer Frau genügen. Danach müssen wir also die erste Silbe als rein germanisch ansehen. Aber auch die Endung ei in der zweiten Silbe ist germanisch. Zwar hat sie mit dem gewöhnlichen Ablaute ei in deutschen Wörtern nichts gemein, denn dieser hat immer den Ton, und bezeichnet Substantive weiblichen Geschlechts, ist auch gar nicht einmal ursprünglich deutsch, sondern aus dem romanischen îa oder îe entstanden, woher er sich zunächst nur bei ursprünglich fremden Wörtern findet, wie massenie, astronomie, prophezie u. a. dann aber auf ächt deutsche

übertragen wurde, wie Jägerei, Zauberei und viele andere. Indessen die Endung rei in Hahnrei ist eine, wenn auch seltne, im Niederdeutfchen vorkommende Bezeichnung einer männlichen Person, so wie auch ei, und entspricht der Bildungssilbe er, so daß also das Wort in einer uns geläufigeren Form hieße, Hahner oder Hahnrer. So kommt ein Name für den Hahn vor in einem holländischen Volksliede, dessen Anfang Grimm in den Anmerk. zn den Hausmärchen (Th. 3. p. 234) mittheilt: koekeloery heet myn haan, prys heet myn hennetjen; auf ähnliche Weise ist im Reineke Fos I. cap. 9, der Name eines Bauern, Kuckelrey, gebildet; ferner kommen in Fischarts Gargantua mehrere Spiele vor, die sich auf rei oder ei endigen, und deren Namen wahrscheinlich die Hauptpersonen der Spiele bezeichnen, als: der Hupffelrei, Tölpelrei *) Ballenripotei (cap. 25. p. 160. b.) Man könnte auch das so mahlende und einen faulen Menschen bezeichnende Wort Lulei hiermit vergleichen, so wie das in der Kindersprache übliche Trulei, was einen trulenden, rollenden Körper bedeutet.

Nach dieser Ansicht von der Ableitung ist auch das Zeitwort hahnen, zum Hahnrei machen, gebildet, welches M. Opiß in dem Gedichte: Lob des Kriegsgottes Martis, braucht. (f. dessen Weltliche Poemata. Bresl. 1690. 1 Th. p. 91). Diese Stelle ist in mehr: facher Rücksicht nicht unwichtig zur Bestimmung der Ansicht, und des Gebrauchs, der zu dieses Dichters Zeit von diesem Worte üblich war, sie heißt nämlich:

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Wie oft ist Reu ankommen

Dem lieben Feuergott, daß er geoffenbahrt,

Gradiv, die eigne Schmach als er gehahnet ward.
Das Hahnen kömmt von dir: als Gallus sollte wachen
Und du dem Mulciber zwei Hörner wolltest machen
Die jest nicht seltzam sind, und die sein Feuer zeigt
Im Fall die Glut empor mit ihren Spizen steigt,
Entschlief der junge Mensch, so daß du von der Sonnen
Ergriffen worden bist; hierauff hast du gewonnen
Gerechte Rach' und Zorn, und einen Hahn gemacht
Auß deinem Wächter Gall, der noch biß heute wacht,
O Mars, wenn keiner nicht ohn einen Hahn sich wolte
Zu buhlen unterstehn, der ihn verhüten solte,

Ich fürchte leider nur, es würde gar kein Hahn
Auff dieser ganzen Welt zum Essen abgethan;

*) In diesen beiden Wörtern kann aber rei auch Tanz bedeuten.

Run Hahnen kömpt von dir und aller Hörnerträger
Ihr Vater ist Bulkan der grosse Harnischfeger

Der seine Hörner weiß.

Aehnlich diesem Zeitworte hahnen ist das von Molière gebrauchte cocufier gebildet.

Lütce.

X.

Ueber den Wortaccent

in der

deutschen Sprache.

Es ist bekannt, daß in allen Sprachen einzelne Sylben der Wörter

von den übrigen durch eine besondere Verstärkung der Stimme beim Aussprechen unterschieden werden. Man nennt diese Sylben betonte oder accentuirte Sylben, denkt aber bei diesem Ausdruck nicht an eine musikalische Erhöhung des Tones, sondern eben nur an diejenige Erz hebung der Stimme, welche zur verstärkten Aussprache nothwendig ist. So wie der musikalischen Höhe des Tones die Tiefe entgegensteht; so fteht der Hebung die Senkung der Stimme entgegen. Man sieht also, daß der Sprachaccent von dem Gesangton wesentlich verschieden ist; indem jener das Duantitative des Lautes, dieser aber das Dualitative desselben bestimmt. Indeß wollen feine musikalische Ohren auch im gewöhnlichen Sprechen einen qualitativen Unterschied der betonten und nicht betonten Sylben wahrnehmen, der sich bei sehr lauten und lebhaften Reden auch dem weniger geübten Ohre deutlich zu erkennen giebt. Je mehr nehmlich jemand seine Stimme zu verstärken sucht; desto mehr wird, wenn er nicht im Sprechen geübt ist, das Organ nach einer Erhöhung des Tones streben. Eine Erscheinung, die mir Gesangkundige bestätigt haben und die sich meiner Meinung nach auch natürlich erklären läßt. Bei der Anstrengung der Stimme müssen die Muskeln der Sprachorgane mehr gespannt werden; dies muß noth

wendig eine Erhöhung des Tones hervorbringen, da die Kehlbänder sich hier wie schwingende Flächen verhalten, die bei größerer Spannung höhere Töne angeben. Je weniger also ein Mensch seine Stimme in Gewalt hat, desto mehr wird er in den Fehler verfallen, niemals lau ter ohne auch zugleich höher reden zu können. Es ist daher leicht möglich, daß im gewöhnlichen Sprechen diejenigen Shlben, welche lebhafter hervorgebracht werden, auch zugleich ein etwas höheres musikalisches Verhältniß annehmen, was geübten Hörern nicht entgeht. Dem Wesen des Accentes ist die musikalische Tonveränderung aber durchaus fremd; so wie eine Saite, stärker oder schwächer angeschlagen, immer nur denselben Ton giebt, im ersteren Falle aber ein weiteres Schwunggebiet in der Luft hat als im leßten.

So wenig nun der Accent seinem Wesen nach etwas mit dem musikalischen Tone zu thun hat, eben so ist er auch durchaus ver: schieden von der Länge oder Kürze der Zeit, in welcher der accentuirte Laut gehört wird; d. h. von der Duantität der Sylben; daß es aber auch hier in der Natur der Sache liegt, wenn sich eine gewisse Hinneinung der accentuirten Sylbe zur Länge offenbart, läßt sich ebenfalls leicht begreifen. Die Wirkung des Kraftaufwandes, den die Stimmwerkzeuge beim Accentuiren ausüben, dehnt sich begreiflicher Weise leicht über die der Shlbe durch das Duantitätsverhältniß verstattete Zeit aus und macht sie dadurch zur langen.

In der Idee sind also Tonhöhe, Tonhebung und Tonlänge der Sylben von einander verschieden; in der Wirklichkeit fallen sie vielleicht öfter zusammen, als man sich vielleicht denkt. Wie die Griechen das Räthsel gelöst haben, ihre sehr verwickelten metrischen Tonverhältnisse mit dem Accente zu vereinbaren, so daß beides noch deutlich unterschieden blieb, ist uns noch jezt unerklärlich; da wir kaum in einzelnen Wörtern Duantität und Accent wiederzugeben im Stande sind. Es gelingt uns dies zum Theil noch in solchen Fällen, wo die accentuirte Sylbe eine lange ist, weil wir dafür etwas Analoges in unserer Sprache finden; schwerer wird es uns aber in den Fällen, wo der Accent sich mit einer kurzen Shlbe vereinigen soll; denn dergleichen Fälle treten in der deutschen Sprache genaugenommen gar nicht ein, sondern können nur durch Künsteleien erzwungen werden. Es ist uns daher noch möglich, das bekannte: ävdowлos, der Mensch, άvdow. лov, des Menschen, in Beziehung auf den Accent richtig auszuspre chen, da sie in dieser Hinsicht mit unsern deutschen Wörtern: Antwor

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