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gefallen ist, die nur hier und da ein Kunstwerk schonte, welches durch keine Anbetung verunreinigt war.

Da indeß unter den aufgegrabenen Antiken sich Stücke sowohl von der einen als von der andern Art finden, so wünschte ich, daß man den Namen der Kunstwerke nur denjenigen beilegen möchte, in welchen sich der Künstler wirklich als Künstler zeigen können, bei welchen die Schönheit seine erste und lezte Absicht gewesen. Alles andere, woran sich zu merkliche Spuren gottesdienstlicher Verabredungen zeigen, verdient diesen Namen nicht, weil die Kunst hier nicht um ihrer selbst willen gearbeitet, sondern ein bloßes Hülfsmittel der Religion war, die bei den sinnlichen Vorstellungen, die sie ihr aufgab, mehr auf das Bedeutende1) als auf das Schöne sah; ob ich schon dadurch nicht sagen will, daß sie nicht auch öfters alles Bedeutende in das Schöne geseßt, oder aus Nachsicht für die Kunst und den feinern Geschmack des Jahrhunderts, von jenem so viel nachgelassen habe, daß dieses allein zu herrschen scheinen können.

aber es giebt Kenner, die ihn eben darum lieber zu einem Faune machen wollen. In der That find solche natürliche Hörner eine Schändung der menschlichen Gestalt und können nur Wesen geziemen, denen man eine Art von Mittelgestalt zwischen Menschen und Thier ertheilte. Auch ist die Stellung, der lüsterne Blick nach der über sich gehaltenen Traube, einem Begleiter des Weingottes anständiger als dem Gott selbst. Ich erinnere mich hier, was Clemens Alexandrinus von Alexander dem Großen sagt (Protrept. p. 48, Edit. Pott.): Eßovλero de zai Αλεξανδρος Αμμωνος υιος εἶναι δοκειν, και κερασφόρος ἀναπλαττεσθαι προς των αγαλματοποιων, το καλον άνθρωπου ὑβρισαι σπευδων κερατι. Es war Alexanders ausdrücklicher Wille, daß ihn der Bildhauer mit Hörnern vor

stellen solle: er war es gern zufrieden, daß die menschliche Schönheit in ihm mit Hörnern beschimpft ward, wenn man ihn nur eines göttlichen Ursprungs zu sein glaubte.

1) Hier noch in dem alten Sinne:,,Sinn habend"; daher in der,,Hamburg. Dramat." St. 90:,,bedeutende Namen". Die Wendung des Wortes zu dem modernen Begriff scheint nach den Zusammenstellungen im Grimm'schen Wörterbuch sich erst durch Goethe vollzogen zu haben.

Lessing, Laokoon.

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Macht man keinen solchen Unterschied 2), so werden der Kenner und der Antiquar beständig mit einander im Streite liegen, weil sie einander nicht verstehen. Wenn Jener, nach seiner Einsicht in die Bestimmung der Kunst, behauptet, daß Dieses oder Jenes der alte Künstler nie gemacht habe, nämlich als Künstler nicht, freiwillig nicht: so wird dieser es dahin ausdehnen, daß es auch weder die Religion, noch sonst eine außer dem Gebiete der Kunst liegende Ursache, von dem Künstler habe machen lassen, von dem Künstler nämlich als Handarbeiter. Er wird also mit der ersten mit der besten Figur den Kenner widerlegen zu können glauben, die dieser ohne Bedenken, aber zu großem Aergernisse der gelehrten Welt, wieder zu dem Schutte verdammt, woraus sie gezogen worden c).

c) Als ich oben behauptete, daß die alten Künstler keine Furien gebildet hätten, war es mir nicht entfallen, daß die Furien mehr als einen Tempel gehabt, die ohne ihre Statuen gewiß nicht gewesen sind. In dem zu Cerynea fand Pausanias dergleichen von Holz; sie waren weder groß, noch sonst besonders merkwürdig; es schien, daß die Kunst, die sich nicht an ihnen zeigen können, es an den Bildsäulen ihrer Priesterinnen, die in der Halle des Tempels standen, einbringen wollen, als welche von Stein und von sehr schöner Arbeit waren (Pausanias Achaic. cap. XXV, p. 587. Edit. Kuhn). Ich hatte ebenso wenig vergessen, daß man Köpfe von ihnen auf einem Abraxas, den Chiffletius bekannt gemacht und auf einer Lampe beim Licetus zu sehen glaube (Dissert. sur les Furies par Bannier, Mémoires de l'Académie des Inscript. T. V. p. 48). Auch sogar die Urne von hetrurischer Arbeit beim Gorius (Tab. 151 Musei Etrusci), auf welcher Orestes und Pylades erscheinen, wie ihnen zwei Furien mit Fackeln zusehen, war mir nicht unbekannt.3) Allein ich redete von Kunstwerken, von welchen ich alle diese Stücke ausschließen zu können glaubte. Und wäre auch das letztere nicht sowohl als die übrigen davon auszuschließen, so dient es von einer andern Seite, mehr meine Meinung zu bestärken, als zu widerlegen. Denn so wenig auch die hetrurischen Künstler überhaupt auf das Schöne gearbeitet, so scheinen sie doch auch die Furien nicht sowohl durch schreckliche Gesichtszüge, als vielmehr durch ihre Tracht und Attribute ausgedrückt zu haben. Diese stoßen mit so ruhigem Gesichte dem Orestes und Pylades ihre Fackeln unter die Augen, daß sie fast scheinen, sie nur im Scherze erschrecken zu wollen. Wie fürchterlich sie dem Orestes und Pylades vorgekommen, läßt sich nur aus ihrer Furcht, keineswegs aber aus der Bildung der Furien selbst abnehmen. Es sind also Furien und sind auch keine; sie verrichten das Amt der Furien, aber nicht in der Verstellung von Grimm und Wuth, welche wir mit

2) Vgl. den siebenten der,,Antiquarischen Briefe“.

3) Gorius' Publication ist nicht ganz correct; die rechts wie ein Horn gebogene Fackel ist nur eine grade Fackel wie die anderen und die rechte Hand der stehenden Furie ist einfach ausgestreckt, faßt aber nicht zu.

Gegentheils kann man sich aber auch den Einfluß der Religion auf die Kunst zu groß vorstellen. Spence giebt hiervon ein sonder

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ihrem Namen zu verbinden gewohnt sind; nicht mit der Stirne, die, wie Catull sagt, expirantis praeportat pectoris iras. Noch kürzlich glaubte Herr Winckelmann, auf einem Carniole in dem Stoßischen Cabinette eine Furie im Laufe mit fliegendem Rocke und Haaren und einem Dolche in der Hand gefunden zu haben (Biblio= thek der sch. Wiss., V. Band, S. 30). Der Herr v. Hagedorn rieth hierauf auch

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den Künstlern schon an, sich diese Anzeige zu Nutzen zu machen und die Furien in ihren Gemälden so vorzustellen (Betrachtungen über die Malerei, S. 222). Allein Herr Winckelmann hat hernach diese seine Entdeckung selbst wiederum ungewiß ge= macht, weil er nicht gefunden, daß die Furien, anstatt mit Fackeln, auch mit Dolchen von den Alten bewaffnet worden (Descript. des Pierres gravées, p. 84). Ohne Zweifel erkennt er also die Figuren, auf Münzen der Städte Lyrba und Massaura, die Spannheim für Furien ausgiebt (Les Césars de Julien, p. 44), nicht dafür sondern für eine Hekate triformis; denn sonst fände sich allerdings hier eine Furie, die in jeder Hand einen Dolch führt, und es ist sonderbar, daß eben diese auch in bloßen ungebundenen Haaren erscheint, die an den andern mit einem Schleier bedeckt sind. Doch gejezt auch, es wäre wirklich so, wie es dem Herrn Winckelmann zuerst vorgekommen, so würde es auch mit diesem geschnittenen Stein cben die Bewandtniß haben, die es mit der hetrurischen Urne hat, es wäre denn, daß sich wegen Kleinheit der Arbeit gar keine Gesichtszüge erkennen ließen. Ueber=

bares Beispiel. Er fand beim Ovid, daß Vesta in ihrem Tempel unter keinem persönlichen Bilde verehrt worden; und dieses dünkte ihm genug, daraus zu schließen, daß es überhaupt keine Bildsäulen von dieser Göttin gegeben habe, und daß Alles, was man bisher dafür gehalten, nicht die Vesta, sondern eine Vestalin vorstelle d). Eine seltsame Folge! Verlor der Künstler darum sein Recht, ein Wesen, dem die Dichter eine bestimmte Persönlichkeit geben, das sie zur Tochter des Saturnus und der Ops machen, das sie in Gefahr kommen lassen, unter die Mißhandlungen des Priapus zu fallen, und was sie sonst von ihr erzählen, verlor er, sage ich, darum sein Recht, dieses Wesen auch nach seiner Art zu personifiren, weil es in Einem Tempel nur unter dem Sinnbilde des Feuers verehrt ward? Denn Spence begeht dabei noch diesen Fehler, daß er das, was Ovid nur von einem gewissen Tempel der Vesta, nämlich von dem zu Rom sagte), auf alle Tempel dieser Göttin ohne Unterschied, und auf ihre Verehrung überhaupt ausdehnt. Wie sie in diesem Tempel zu Rom verehrt ward, so ward sie nicht überall verehrt, so war sie selbst nicht in Italien verehrt worden, ehe ihn Numa erbaute. Numa wollte keine Gottheit in menschlicher oder thierischer Gestalt vorgestellt wissen; und darin bestand ohne Zweifel die Verbesserung, die er in dem Dienste der Vesta machte, daß er alle persönliche Vorstellung von ihr daraus verbannte. Ovid selbst lehrt uns, daß es vor den Zeiten des Numa Bildsäulen der Vesta in ihrem Tempel gegeben habe, die, als ihre Priesterin Sylvia Mutter

dem gehören auch die geschnittenen Steine überhaupt, wegen ihres Gebrauchs als Siegel, schon mit zur Bildersprache, und ihre Figuren mögen öfter eigensinnige Symbole der Besizer, als freiwillige Werke der Künstler sein. 4)

d) Polymetis Dial. VII, p. 81.

e) Fast. lib. VI, v. 295—98:

Esse diu stultus Vestae simulacra putavi:
Mox didici curvo nulla subesse tholo.
Ignis inexstinctus templo celatur in illo.
Effigiem nullam Vesta, nec ignis, habet.

Ovid redet nur von dem Gottesdienst der Vesta in Rom, nur von dem Tempel,
den ihr Numa daselbst erbaut hatte, von dem er kurz zuvor (v. 259. 60) sagt:
Regis opus placidi, quo non metuentius ullum
Numinis ingenium terra Sabina tulit.

4) Vgl. den siebenten der ,,Antiquarischen Briefe" gegen Ende.

ward, vor Scham die jungfräulichen Hände vor die Augen hobenƒ). Daß sogar in den Tempeln, welche die Göttin außer der Stadt in den römischen Provinzen hatte, ihre Verehrung nicht völlig von der Art gewesen, als sie Numa verordnet, scheinen verschiedene alte Inschriften zu beweisen, in welchen eines Pontificis Vestae gedacht wird g). Auch zu Korinth war ein Tempel der Vesta ohne alle Bildsäule, mit einem bloßen Altare, worauf der Göttin geopfert ward h). Aber hatten die Griechen darum gar keine Statuen der Vesta? Zu Athen war eine im Prytaneo, neben der Statue des Friedens i). Die Jasseer 5) rühmten von einer, die bei ihnen unter freiem Himmel stand, daß weder Schnee noch Regen jemals auf sie fallek). Plinius gedenkt einer sigenden, von der Hand des Scopas, die sich zu seiner Zeit in den Servilianischen Gärten zu Rom befand 7).

f) Fast. lib. III, v. 45. 46:

Sylvia fit mater: Vestae simulacra feruntur
Virgineas oculis opposuisse manus.

Auf diese Weise hätte Spence den Ovid mit sich selbst vergleichen sollen. Der Lichter redet von verschiedenen Zeiten. Hier von den Zeiten vor dem Numa, dort von den Zeiten nach ihm. In jenen ward sie in Italien unter persönlichen Vorstellungen verehrt, so wie sie in Troja war verehrt worden, von wannen Aeneas ihren Gottesdienst mit herüber gebracht hatte.

Manibus vittas, Vestamque potentem,
Aeternumque adytis effert penetralibus ignem :

sagt Virgil von dem Geiste des Hektors, nachdem er dem Aeneas zur Flucht ge= rathen. Hier wird das ewige Feuer von der Vesta selbst oder ihrer Bildsäule ausdrücklich unterschieden. Spence muß die römischen Dichter zu seinem Behufe doch noch nicht aufmerksam genug durchgelesen haben, weil ihm diese Stelle entwischt ist.

g) Lipsius de Vesta et Vestalibus, cap. 13.

h) Pausanias Corinth. cap. XXXV, p. 198. Edit. Kuhn.

i) Idem Attic., cap. XVIII, p. 41.

Vestam

k) Polyb. Hist. libr. XVI, § 11. Op. T. II, p. 443. Edit. Ernest. 7) Plinius lib. XXXVI, sect. 4, p. 727. Edit. Hard. Scopas fecit sedentem laudatam in Servilianis hortis. Diese Stelle muß Lipsius in Gedanken gehabt haben, als er (de Vesta, cap. 3) schrieb: Plinius Vestam sedentem effingi solitam ostendit, a stabilitate. Allein was Plinius von einem einzelnen Stücke des Scopas sagt, hätte er nicht für einen allgemein angenommenen Charakter ausgeben sollen. Er merkt selbst an, daß auf den Münzen die Vesta ebenso oft stehend als sigend erscheine. Allein er verbessert dadurch nicht den Plinius, sonderu seine eigene falsche Einbildung.

5) Bei der altkarischen Stadt Jassos ist es sehr zweifelhaft, ob es sich um eine Vesta im griechisch-römischen Sinne handelte.

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