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Laokoon.

Entwurf des zweiten Theils.

Nebst

zugehörigen Stücken.

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err Winckelmann hat sich in der Geschichte der Kunst näher erklärt. Auch er bekennt, daß die Ruhe eine Folge der Schönheit ist.

Nothwendigkeit sich über dergleichen Dinge so präcis auszudrücken als möglich. Ein falscher Grund ist schlimmer als gar kein Grund.

XXXI.

Herr Winckelmann scheint dieses höchste Geseß der Schönheit bloß aus den alten Kunstwerken abstrahirt zu haben. Man kann aber eben so unfehlbar durch bloße Schlüsse darauf kommen. Denn da die bildenden Künste allein vermögend sind, die Schönheit der Form hervorzubringen; da sie hierzu der Hülfe keiner andern Kunst bedürfen; da andere Künste gänzlich darauf Verzicht thun müssen: so ist es wohl unstreitig, daß diese Schönheit nicht anders als ihre Bestimmung sein kann.

XXXII.

Allein zur körperlichen Schönheit gehört mehr, als Schönheit der Form. Es gehört auch dazu die Schönheit der Farben, und die Schönheit des Ausdrucks.

Unterschied in Ansehung der Schönheit der Farben zwischen Carnation und Colorirung. Carnation ist die Colorirung solcher Gegenstände, welche eine bestimmte Schönheit der Form haben, also

vornehmlich des menschlichen Körpers. Colorirung ist der Gebrauch der Localfarben überhaupt.

Unterschied in Ansehung der Schönheit des Ausdrucks, zwischen transitorischem und permanentem. Jener ist gewaltsam, und folg= lich nie schön. Dieser ist die Folge von der öfteren Wiederholung des erstern, verträgt sich nicht allein mit der Schönheit, sondern bringt auch mehr Verschiedenheit in die Schönheit selbst.

XXXIII.

Ideal der körperlichen Schönheit. Was es ist? Es besteht in dem Ideale der Form vornehmlich, doch auch mit in dem Ideale der Carnation und des permanenten Ausdrucks.

Die bloße Colorirung und der transitorische Ausdruck haben kein Ideal: weil die Natur selbst sich nichts Bestimmtes darin vorgesezt hat.

XXXIV.

Falsche Uebertragung des malerischen Ideals in die Poesie. Dort ist es ein Ideal der Körper, hier muß es ein Ideal der Handlungen sein. Dryden in seiner Vorrede zum Fresnoy. Baco beim Lowth.

XXXV.

Noch übertriebener würde es sein, wenn man nicht bloß von dem Dichter vollkommene moralische Wesen, sondern wohl gar vollkommen schöne körperliche Wesen erwarten und verlangen wollte. Gleichwohl thut dieses Herr Winckelmann in seinem Urtheile vom Milton. pag. 28. G. d. K.

Winckelmann scheint den Milton wenig gelesen zu haben; sonst würde er wissen, daß man schon längst angemerkt, nur er habe Teufel zu schildern gewußt, ohne zu der Häßlichkeit der Form seine Zuflucht zu nehmen.

Ein solches verfeinertes Bild der teuflischen Häßlichkeit hatte vielleicht Guido Reni im Kopfe (v. Dryden's Preface to the Art of Painting, p. IX). Aber weder er noch sonst einer hat es ausgeführt.

Miltons häßliche Bilder aber, als die Sünde und der Tod, gehören gar nicht zur Handlung, sondern füllen bloß Episoden.

Miltons Kunstgriff, auf diese Art in der Person des Teufels den Peiniger und den Gepeinigten zu trennen, welche nach dem gemeinen Begriffe in ihm verbunden werden.

XXXVI.

Aber auch von den Haupthandlungen des Milton lassen sich die wenigsten malen. Wohl; aber daraus folgt nicht, daß sie bei dem Milton nicht gemalt sind.

Die Poesie malt durch einen einzigen Zug; die Malerei muß alle übrigen hinzuthun. In jener also kann etwas sehr malerisch sein, was sich durch diese gar nicht ausführen läßt.

XXXVII.

Folglich liegt es nicht an dem vorzüglichen Genie des Homers, daß bei ihm alles zu malen ist; sondern lediglich an der Wahl der Materie. Beweise hiervon. Erster Beweis: aus verschiedenen. unsichtbaren Gegenständen, welche Homer eben so unmalerisch behandelt hat, als Milton, z. E. die Zwietracht 2c.

XXXVIII.

Zweiter Beweis: aus den sichtbaren Gegenständen, welche Milton vortrefflich behandelt hat. Die Liebe im Paradiese. Die Einfältigkeit und Armuth der Maler über dieses Subject. Der gegenseitige Reichthum des Milton.

XXXIX.

Stärke des Milton in successiven Gemälden. Exempel davon aus allen Büchern des verlornen Paradieses.

XL.

Miltons Malerei einzelner sinnlicher Gegenstände. In dieser würde er dem Homer überlegen sein, wenn wir nicht schon erwiesen hätten, daß sie nicht für die Poesie gehört.

Meine Meinung, daß diese Malerei eine Folge seiner Blindheit war.

Spuren dieser s. Blindheit in verschiedenen einzelnen Stellen.
Entgegengesezter Beweis, daß Homer nicht blind gewesen.

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