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ie Aehnlichkeit und Uebereinstimmung der Poesie und Malerei ist oft genug berührt und ausgeführt worden; aber, wie mich dünkt, nie mit derjenigen Genauigkeit, die allen übeln Einflüssen auf die eine oder auf die andere hätte vorbauen können.

Diese übeln Einflüsse haben sich in der Poesie durch die Schilderungssucht, und in der Malerei durch die Alle= goristerei geäußert, indem man jene zu einem redenden Gemälde machen wollen, ohne eigentlich zu wissen, was sie malen könne und solle, und diese zu einem stummen Gedichte, ohne überlegt zu haben, in welchem Maße sie deutliche a) Begriffe erregen könne, ohne sich von ihrer eigentlichen Bestimmung zu entfernen und zu einer willkürlichen Schriftart zu werden.

Außer diesen Verleitungen der Dichter und Künstler selbst haben die seichten Parallelen der Poesie und Malerei auch den Criticus öfters zu ungegründeten Urtheilen verführt, wenn er in den Werken des Dichters und Malers über einerlei Vorwurf, die

a) Allgemeine; denn deutlich sind alle Begriffe der Malerei.

(Mendelssohn.) 1)

1) Eine Aenderung, welche Lessing später in der Vorrede zum ersten Theil eines „Laokoon" annimmt.

darin bemerkten Abweichungen von einander zu Fehlern machen wollen, die er dem einen oder dem andern, nachdem er entweder mehr Geschmack an der Dichtkunst oder Malerei hat, zur Last gelegt.

Und diesen ungegründeten Urtheilen .wenigstens abzuhelfen, dürfte es sich wohl der Mühe verlohnen, die Medaille auch einmal umzukehren, und die Verschiedenheit zu erwägen, die sich zwischen der Dichtkunst und Malerei findet, um zu sehen, ob aus dieser Verschiedenheit nicht Geseze folgen, die der einen und der andern eigenthümlich sind, und die eine öfters nöthigen, einen ganz andern Weg zu betreten, als ihre Schwester betritt, wenn sie wirklich den Titel einer Schwester behaupten und nicht in eine eifersüchtige nachäffende Nebenbuhlerin ausarten will.

Ob der Virtuose selbst aus diesen Untersuchungen einigen Nußen ziehen kann, die ihn das nur deutlich denken lehren, worauf ihn sein bloßes Gefühl bei der Arbeit unbewußt führen muß: dieses will ich nicht entscheiden. Wir sind darin einig, daß die Kritik für sich eine Wissenschaft ist, die alle Cultur verdient; geseßt, daß sie dem Genie auch zu gar nichts helfen sollte b).

II.

Poesie und Malerei, beide sind nachahmende Künste 2), beider Endzweck ist, von ihren Vorwürfen die lebhaftesten sinnlichsten Vorstellungen in uns zu erwecken. Sie haben folglich alle die Regeln gemein, die aus dem Begriffe der Nachahmung, aus diesem Endzwecke entspringen.

b) Die Grenzen der Künste können, ohne dem Feuer des Genies Eintrag zu thun, von der deutlichsten Erkenntniß abgetheilt werden; denn sie zeigen dem Virtuosen nur, wovon er zu abstrahiren hat. Es sind also bloß negative Regeln, die gar wohl ein Werk der Kunst sein können. (Mendelssohn.) Recht. Ich möchte die Kritik wie die Psychologie in rationalem et empyricam abtheilen; und gerade bei dieser Materie die Grenzen zweier Künste abzutheilen, wird die Erfahrung, die Rücksicht auf das, was alle Künstler gethan haben, unumgänglich nöthig sein. In Nordamerika hatten die Franzosen und Engländer unter der Hand ihre Grenzen erweitert; nun erinnern Sie sich, was für Unordnungen jezt daraus entstanden sind, weil die Minister zu Utrecht keine rechten Landcharten hatten, als sie abtheilten. (Nicolai.)

2) Eine durchaus aristotelische Anschauung (vgl. „Poetik" Cap. 1); der Ge= danke wird im „Laokoon“ Cap. 16 weiter ausgeführt.

Allein sie bedienen sich ganz verschiedener Mittel zu ihrer Nachahmung; und aus der Verschiedenheit dieser Mittel müssen die besonderen Regeln für eine jede hergeleitet werden.

Die Malerei braucht Figuren und Farben in dem Raume.
Die Dichtkunst artikulirte Töne in der Zeit.
Jener Zeichen sind natürlich.

kürlich.c)

Dieser ihre sind will

III.

Nachahmended) Zeichen neben einander können auch nur Gegenstände ausdrücken, die neben einander, oder deren Theile neben einander existiren 4). Solche Gegenstände heißen Körper. Folglich sind Körper, mit ihren sichtbaren Eigenschaften, die eigent= lichen Gegenstände der Malerei.

Nachahmende Zeichen aufeinander können auch nur Gegenstände ausdrücken, die auf einander, oder deren Theile auf einander folgen e). Solche Gegenstände heißen überhaupt Handlungen). Folglich sind Handlungen der eigentliche Gegenstand der Poesie.

c) Diese Opposition zeigt sich deutlicher in Ansehung der Musik und Malerei. Jene bedient sich gleichfalls natürlicher Zeichen, ahmt aber nur durch die Bewegung nach. Die Poesie hat einige Eigenschaften mit der Musik und einige mit der Malerei gemein. Ihre Zeichen sind von willkürlicher Bedeutung, daher drücken sie auch zuweilen neben einander existirende Dinge aus, ohne deswegen einen Eingriff in das Gebiet der Malerei zu thun, jedoch hiervon in der Folge ein mehreres. (Mendelssohn.)3)

d) Natürliche. (Mendelssohn.)

e) Nein! sie drücken auch neben einander existirende Dinge aus, wenn sie von willkürlicher Bedeutung sind. (Mendelssohn.)

f) Bewegungen heißen sie eigentlich, denn es giebt Handlungen, die aus neben einander existirenden Theilen bestehen, und diese sind malerisch. Aber die Bewegung besteht bloß aus Theilen, die auf einander folgen. Wir haben also Bewegungen und Handlungen. Die Musik drückt Handlung durch Bewegung und die Malerei Bewegung durch die Handlung aus. Jene vermittelst natürlicher Töne, diese vermittelst der Räume. Die Poesie hat Bewegungen und Handlungen vermittelst der willkürlichen Zeichen. Die Poesie hat aber auch unbewegliche Handlungen, diese sind vollkommen malerisch. Z. B. das homerische Gleichniß 5),

3) Vgl. unten Cap. 17.

4) Vgl. unten Cap. 16.

5) Ilias 11, 548 f. 17, 657 f. Doch stehen an ersterer Stelle nicht „Hirten= knaben", sondern „landbewohnende Männer“.

Doch alle Körper existiren nicht allein in dem Raume, sondern auch in der Zeit. Sie dauern fort und können in jedem Augenblicke ihrer Dauer anders erscheinen und in anderer Verbindung stehen. Jede dieser augenblicklichen Erscheinungen und Verbindungen ist die Wirkung einer vorhergehenden und kann die Ursache einer folgenden, und sonach gleichsam das Centrum einer Handlung sein. Folglich kann die Malerei auch Handlungen nachahmen, aber nur andeutungsweise durch Körper.

Auf der andern Seite können Handlungen nicht vor sich selbst bestehen, sondern müssen gewissen Wesen anhängen. Insofern nun diese Wesen Körper sind, schildert die Poesie auch Körper, aber nur andeutungsweise durch Handlungeng).

IV.6)

Die Malerei kann in ihren coexistirenden Compositionen nur einen einzigen Augenblick der Handlung nußen, und muß daher den prägnantesten wählen, aus welchem das vorhergehende und folgende am begreiflichsten wird.7)

Eben so kann auch die Poesie in ihren fortschreitenden Nachahmungen nur eine einzige Eigenschaft der Körper nußen, und muß daher diejenige wählen, welche das sinnlichste Bild des Körpers von der Seite erweckt, von welcher er ihn braucht.h)

da die Hirtenknaben vor der Heerde stehen und dem grimmigen Löwen brennende Fackeln entgegen halten. Der sterbende Adonis, die Entführung der Europa sind Folgen von Schilderungen, da stehende und bewegliche Handlungen mit einander abwechseln. (Mendelssohn.)

g) Die Poesie kann gar wohl Körper schildern, aber sie hat folgende Grenzen nicht zu überschreiten. Wenn wir ein im Kaume befindliches Ganzes uns deutlich vorstellen wollen, so betrachten wir 1) die Theile einzeln, 2) ihre Verbindung, 3) das Ganze. Unsere Sinne verrichten dieses mit einer so erstaunlichen Geschwindigkeit, daß wir alle diese Operationen zu gleicher Zeit zu verrichten glauben. Wenn uns daher alle einzelnen Theile eines im Raume sich befindenden Gegenstandes durch willkürliche Zeichen angedeutet werden, so wird uns die dritte Operation, das Zusammenhalten aller Theile, allzu beschwerlich. Wir müssen unsere Einbildungskraft allzusehr anstrengen, wenn sie so zertrennte Stücke in ein raumerfüllendes Ganzes zusammenfassen soll. (Mendelssohn.)

h) Der Dichter sucht allezeit Handlung und Bewegung zu verbinden, daher

6) Vgl. unten Cap. 16.

7) Vgl. unten Cap. 3.

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