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ich, daß sein Buch für jeden Leser von Geschmack ein ganz unerträgliches Buch sein muß.

Es ist natürlich, daß, wenn Valerius Flaccus den geflügelten Blig auf den römischen Schilden beschreibt 4),

(Nec primus radios, miles Romane, corusci

Fulminis et rutilas scutis diffuderis alas)

mir diese Beschreibung weit deutlicher wird, wenn ich die Abbildung eines solchen Schildes auf einem alten Denkmal erblicke b). Es kann sein, daß Mars in eben der schwebenden Stellung, in welcher ihn Addison über der Rhea auf einer Münze zu sehen glaubte c), auch von den alten Waffenschmieden auf den Helmen und Schilden

POT

TR

b) Val. Flaccus lib. VI, v. 55. 56. Polymetis Dial. VI, p. 50.

c) Ich sage: es kann sein. Doch wollte ich Zehn gegen Eins wetten, daß es nicht ist. Juvenal redet von den ersten Zeiten der Republik, als man noch von keiner Pracht und Ueppigkeit wußte und der Soldat das erbeutete Gold und Silber

4) Den Zug, daß Jupiters Abzeichen, der Bliz, schon vor den Römern von dem Heere des Colares getragen worden sei, hat Valerius Flaccus ohne Zweifel erfunden.

COS

III

vorgestellt wurde, und daß Juvenal einen solchen Helm oder Schild in Gedanken hatte, als er mit einem Worte darauf anspielte, welches bis auf den Addison ein Räthsel für alle Ausleger gewesen. Mich

nur auf das Geschirr seines Pferdes und auf seine Waffen verwandte (Sat. XI, v. 100-107):

Tunc rudis et Grajas mirari nescius artes
Urbibus eversis praedarum in parte reperta
Magnorum artificum frangebat pocula miles,
Ut phaleris gauderet equus, caelataque cassis
Romuleae simulacra ferae mansuescere jussae
Imperii fato, geminos sub rupe Quirinos,

Ac nudam effigiem clypeo fulgentis et hasta,
Pendentisque Dei perituro ostenderet hosti.

Der Soldat zerbrach die kostbarsten Becher, die Meisterstücke großer Künstler, um eine Wölfin, einen kleinen Romulus und Remus daraus arbeiten zu lassen, womit er seinen Helm ausschmückte. Alles ist verständlich, bis auf die lezten zwei Zeilen, in welchen der Dichter fortfährt, noch ein solches getriebenes Bild auf den Helmen der alten Soldaten zu beschreiben. So viel sieht man wohl, daß dieses Bild der Gott Mars sein soll; aber was soll das Beiwort pendentis, welches er ihm giebt, bedeuten? Rigaltius fand eine alte Glosse, die es durch quasi ad ictum se inclinantis erklärt. Lubinus meint, das Bild sei auf dem Schilde gewesen, und da das Schild an dem Arme hänge, so habe der Dichter auch das Bild hängend nennen können. Allein dieses ist wider die Construction; denn das zu ostenderet gehörige Subjectum ist nicht miles, sondern cassis. Britannicus will, Alles, was hoch in der Luft stehe, könne hängend heißen, und also auch dieses Bild über oder auf dem Helme. Einige wollen gar perdentis dafür lesen, um einen Gegensah mit dem folgenden perituro zu machen, den aber nur sie allein schön finden dürften. Was sagt nun Addison bei dieser Ungewißheit? Die Ausleger, sagt er, irren sich alle, und die wahre Meinung ist ganz gewiß diese (s. dessen Reisen, deutsche Uebers. S. 249):,,Da die römischen Soldaten sich nicht wenig auf den Stifter und kriegerischen Geist ihrer Republik einbildeten, so waren sie gewohnt, auf ihren Helmen die erste Geschichte des Romulus zu tragen, wie er von einem Gott erzeugt und von einer Wölfin gesäugt worden. Die Figur des Gottes war vorgestellt, wie er sich auf die Priesterin Jlia, oder wie sie andere nennen, Rhea Sylvia, herabläßt, und in diesem Herablassen schien sie über der Jungfrau in der Luft zu schweben, welches denn durch das Wort pendentis sehr eigentlich und poetisch ausgedrückt wird. Außer dem alten Basrelief beim Bellori, welches mich zuerst auf diese Auslegung brachte, habe ich seitdem die nämliche Figur auf einer Münze gefunden, die unter der Zeit des Antoninus Pius geschlagen worden.“ — Da Spence diese Entdeckung des Addison so außerordentlich glücklich findet, daß er sie als ein Muster in ihrer Art und als das stärkste Beispiel anführt, wie nüßlich die Werke der alten Artisten zur Erklärung der classischen römischen Dichter gebraucht werden können, so kann ich mich nicht enthalten, sie ein wenig genauer zu be= trachten. (Polymetis Dial. VII, p. 77.) — Fürs Erste muß ich anmerken, daß bloß das Basrelief und die Münze dem Addison wohl schwerlich die Stelle des Juvenals in die Gedanken gebracht haben würde, wenn er sich nicht zugleich erinnert hätte, bei dem alten Scholiasten, der in der lezten ohne eine Zeile anstatt fulgentis, venientis gefunden, die Glosse gelesen zu haben: Martis ad Iliam venientis ut

dünkt selbst, daß ich die Stelle des Ovids, wo der ermattete Cephalus den kühlenden Lüften ruft:

concumberet. Nun nehme man aber diese Lesart des Scholiasten nicht an, sondern man nehme die an, welche Addison selbst annimmt, und sage, ob man sodann die geringste Spur findet, daß der Dichter die Rhea in Gedanken gehabt habe? Man sage, ob es nicht ein wahres Hysteronproteron von ihm sein würde, daß er von der Wölfin und den jungen Knaben rede, und sodann erst von dem Abenteuer, dem sie ihr Dasein zu danken haben? Die Rhea ist noch nicht Mutter, und die Kinder liegen schon unter dem Felsen. Man sage, ob eine Schäferstunde wohl ein schickliches Emblema auf dem Helme eines römischen Soldaten gewesen wäre? Der Soldat war auf den göttlichen Ursprung seines Stifters stolz; das zeigten die Wölfin und die Kinder genugsam; mußte er auch noch den Mars im Begriff einer Handlung zeigen, in der er nichts weniger als der fürchterliche Mars war? Seine Ueberraschung der Rhea mag auf noch so viel alten Marmorn und Münzen zu finden sein, paßt sie darum auf das Stück einer Rüstung? Und welches sind denn die Marmor und Münzen, auf welchen sie Addison fand und wo er den Mars in dieser schwebenden Stellung sah? Das alte Basrelief, worauf er sich beruft, soll Bellori haben. Aber die Admiranda, welches seine Sammlung der schönsten alten Basreliefs ist, wird man vergebens darnach durchblättern. Ich habe es nicht ge= funden und auch Spence muß es weder da, noch sonst wo gefunden haben, weil er es gänzlich mit Stillschweigen übergeht. Alles kommt also auf die Münze an. Nun betrachte man diese bei dem Addison selbst. Ich erblicke eine liegende Rhea; und da dem Stempelschneider der Raum nicht erlaubte, die Figur des Mars mit ihr auf gleichen Boden zu stellen, so steht er ein wenig höher. Das ist es Alles; Schwebendes hat sie außer diesem nicht das Geringste. Es ist wahr, in der Ab= bildung, die Spence davon giebt, ist das Schweben sehr stark ausgedrückt; die Figur fällt mit dem Obertheil weit vor und man sieht deutlich, daß es kein stehender Körper ist, sondern daß, wenn es kein fallender Körper sein soll, es nothwendig ein schwebender sein muß. Spence sagt, er besize diese Münze selbst. Es wäre hart, obschon in einer Kleinigkeit, die Aufrichtigkeit eines Mannes in Zweisel zu ziehen. Allein ein gefaßtes Vorurtheil kann auch auf unsere Augen Einfluß haben; zudem konnte er es zum Besten seiner Leser für erlaubt halten, den Ausdruck, welchen er zu sehen glaubte, durch seinen Künstler so verstärken zu lassen, daß uns ebenso wenig Zweifel desfalls übrig bliebe als ihm selbst. So viel ist gewiß, daß Spence und Addison ebendieselbe Münze meinen, und daß sie sonach entweder bei Diesem sehr verstellt oder bei Jenem sehr verschönert sein muß. Doch ich habe noch eine andere Anmerkung wider dieses vermeintliche Schweben des Mars. Diese nämlich: daß ein schwebender Körper ohne eine scheinbare Ursache, durch welche die Wirkung seiner Schwere verhindert wird, eine Ungereimtheit ist, von der man in den alten Kunstwerken kein Exempel findet. Auch die neue Malerei erlaubt sich dieselbe nie, sondern wenn ein Körper in der Luft hangen soll, so müssen ihn entweder Flügel halten, oder er muß auf etwas zu ruhen scheinen, und sollte es auch nur eine bloße Wolke sein. Wenn Homer die Thetis von dem Gestade sich au Juße in bent Stump erheben läßt, Την μεν ἀρ ̓ Ούλυμπόνδε ποδες φερον (Iliad. v. 148), so versteht der Graf Caylus die Bedürfnisse der Kunst zu wohl, als daß er dem Maler rathen sollte, die Göttin so frei die Luft durchschreiten zu lassen. Sie muß ihren Weg auf einer Wolke nehmen (Tableaux tirés de l'Iliade p. 91), so wie er sie ein ander Mal auf einen Wagen sezt (p. 131), obgleich der

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Meque juves, intresque sinus, gratissima, nostros!

und seine Procris diese Aura für den Namen einer Nebenbuhlerin

Dichter das Gegentheil von ihr sagt. Wie kann es auch wohl anders sein? Ob uns schon der Dichter die Göttin ebenfalls unter einer menschlichen Figur denken läßt, so hat er doch alle Begriffe eines groben und schweren Stoffes davon entfernt

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und ihren menschenähnlichen Körper mit einer Kraft belebt, die ihn von den Gesehen unserer Bewegung ausnimmt. Wodurch aber könnte die Malerei die körperliche Figur einer Gottheit von der körperlichen Figur eines Menschen so vorzüglich unterscheiden, daß unser Auge nicht beleidigt würde, wenn es bei der

hält, daß ich, sage ich, diese Stelle natürlicher finde, wenn ich aus den Kunstwerken der Alten ersehe, daß sie wirklich die sanften Lüfte

einen ganz andere Regeln der Bewegung, der Schwere, des Gleichgewichts beob= achtet fände als bei der andern? Wodurch anders als durch verabredete Zeichen? In der That sind ein Paar Flügel, eine Wolke auch nichts Anders als dergleichen Zeichen 5). Doch von diesem ein Mehreres an einem andern Orte. Hier ist es genug, von den Vertheidigern der Addisonschen Meinung zu verlangen, mir eine andere ähnliche Figur auf alten Denkmälern zu zeigen, die so frei und bloß in der Luft hange. Sollte dieser Mars die einzige in ihrer Art sein? Und warum? Hatte vielleicht die Tradition einen Umstand überliefert, der ein dergleichen Schweben in diesem Falle nothwendig macht? Beim Ovid (Fast. lib. 1) läßt sich nicht die geringste Spur davon entdecken. Vielmehr kann man zeigen, daß es keinen solchen Umstand könne gegeben haben. Denn es finden sich andere alte Kunstwerke, welche die nämliche Geschichte vorstellen, und wo Mars offenbar nicht schwebt, sondern geht. Man betrachte das Basrelief bei Montfaucon (Suppl. T. I., p. 183), das sich, wenn ich nicht irre, zu Rom in dem Palaste der Mellini

befindet). Die schlafende Rhea liegt unter einem Baume, und Mars nähert sich ihr mit leisen Schritten und mit der bedeutenden Zurückstreckung der rechten Hand, mit der wir denen hinter uns, entweder zurückzubleiben oder sachte zu folgen, be= fehlen. Es ist vollkommen die nämliche Stellung, in der er auf der Münze erscheint, nur daß er hier die Lanze in der rechten und dort i der linken Hand führt. Man findet öfter berühmte Statuen und Basreliefe auf alten Münzen copirt, als daß es auch nicht hier könnte geschehen sein, wo der Stempelschneider den Ausdruck der zurückgewandten rechten Hand vielleicht nicht fühlte und sie daher besser mit der Lanze füllen zu können glaubte. Alles dies nun zusammenge= nommen, wie viel Wahrscheinlichkeit bleibt dem Addison noch übrig? Schwerlich

5) Diese Darstellung des Besuches des Mars bei Rhea Silvia, welche im Schooße des Hypnos ruht, ist einem Wandgemälde in den Thermen des Titus entlehnt.

6) An der f. g. Ara Casali im Museo Pio Clementino des Vaticans, auf der Rückseite. Rechts vom Beschauer der Flußgott Tiber.

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