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vorragenden Gipfeln so genannt), der Kultur ganz unfähig, schrecklich öde und ohne Vegetation, ausgenommen wo hier und da etliche Sträucher der Artemisia und Salicornia Wurzel zu fassen vermochten. Kleine Salzkrystalle glitzern über der ganzen Oberfläche des zähen, blasigen Schlammes und täuschen das Auge in der Ferne mit dem Anschein einer blinkenden Wasserfläche; Luftspiegelungen ausserordentlicher Art verzerren jeden Gegenstand zu den wun

derlichsten phantastischen Formen. Ein paar Felsen

vorsprünge, zerstreute Artemisia-Sträucher, die Salzkruste des Ufersandes schwimmen vor dem erstaunten Blick wie schwebende Gärten, Orangenhaine, Lustschlösser und romantische Gebirgssee'n in der Ferne. Ein verdorrter Stecken im Boden thürmt sich als Riesenbau am Horizonte auf, ein einsamer Wanderer vervielfältigt sich zu einer langen Reihe Giganten, die im gemessenen Takt schwerfällig dahin wandeln, und wenige ermüdete Reiter und Packesel erschrecken das aufblickende Auge mit dem Schauspiel einer in militärischen Evolutionen anrückenden Heerschaar.

Das Nordufer des See's, längs der Bear River-Bai, ist etwa 2 bis 3 Geogr. Meilen weit und erscheint gleichfalls bis zum Rande der steilen Berge, welche es umschliessen, als eine Wüste mit vorherrschend sandigem oder lehmigem Boden. Auf ihrer Fläche jedoch erheben sich viele abschüssige Erdhügel (Buttes genannt) wie Eilande, vermuthlich die Überbleibsel eines früheren höheren Ufers, welches die von Stürmen über den Rand getriebenen Wasser des See's beim Zurück weichen allmälig weggewaschen haben. Der Erdboden ist weich und erlaubt kaum eine Passage; nur längs, des Uferrandes können leichte Wagen fortkommen. Von den entfernteren Hügelseiten ergiessen sich zahlreiche Bäche, verschwinden aber in dem Schlamme der ,,Flats". Auf den höheren Gründen und längs der unteren Berghänge finden sich treffliche Weideplätze. In den Thälern des Bären- und Malade-Flusses ist stellenweise trefflicher Ackerboden, und wo jener die Felsenthore der Wahsatch verlässt und künstliche Bewässerung durch Dämme zulässig wird, mögen weite Strecken für den Landbau gewonnen werden. Eine Anzahl kalter und heisser Quellen findet man unterhalb dieser Thore in der Nähe des Flusses und seiner Fähre. Man berichtet unter Anderem, dass hier auf einer Strecke von nicht mehr als 30 Fuss drei sonderbare Quellen vorkämen. Die niedrigste ist eine heisse Schwefelquelle, die nächst höher gelegene eine salzige warme Quelle, und die höchste ein kaltes treffliches Trinkwasser. Alle drei, aus tiefen Erdlöchern entspringend, vereinigen sich und fliessen als sprudelnder Bach zum Wiesengrunde ab.

Das unmittelbare Südufer des See's ist gleichfalls flach. Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1858, Heft VII.

Um so merkwürdiger sind jene kühnen Felsen-Inseln, von denen wir bereits früher gesprochen haben, welche, mit dem flachen Seerande durch Sandbarren halb verbunden, unzweifelhaft die losgetrennten Spitzen der gegenüberliegenden Bergvorsprünge sind. Alte Uferterrassen, von de-. nen die am bestimmtesten ausgebildeten nur wenige Fuss über den gegenwärtigen Spiegel des See's sich erheben, andere dagegen in der Höhe von 300, ja sogar von 600 oder 800 Fuss am Hange der Berg-Inseln sich erkennen lassen, deuten auf gewaltige Veränderungen des Seebettes und seines jetzigen Thales hin. Eine allmälig aufsteigende Kette hoher Gebirge umschliesst diese Uferfläche. Dort, auf der Höhe der oberen Thäler, liegt der liebliche UtahSee, bekränzt durch ein prächtiges Rund von Bergen und Matten. Es ist ein Süsswasser-See von etwa 6 Geogr. Meil. Länge und 2 Ml. Breite, in dessen stillen Schooss sich die frischen Bergwasser rauschend abstürzen. Er hat seinen Abfluss nach dem Salzsee nordwärts durch den ,,Jordan", und sein Thal, wie das des letzteren und fast aller Bergströme der südlichen und östlichen Ketten, gewährt den Bewohnern dieser Region die trefflichsten Weideplätze das ganze Jahr hindurch. Wenn mit dem Anbruch des Frühlings der Schnee von den niederen Geländen verschwindet, folgen die Heerden der rückweichenden Schneelinie, bis sie im Hochsommer den Kamm des Gebirges und die Nähe der Bergspitzen erreichen. Dann liefern die Hänge reichlich das beliebte Bunch- oder Bündelgras (welches seinen Namen wohl von der Art seines Vorkommens erhalten hat), das werthvollste der Gräser in den Felsengebirgen, bis um die Herbst-Nachtgleiche die Winterstürme aufsteigen und in wenigen Wochen die Heerden ins tiefere Thal zurücktreiben. Bald füllen furchtbare Schneewehen, von dem eisigen Kamme der Berge herabgefegt, jeden Pass und jede Ravine, oft bis zur Tiefe von 100 Fuss, und schliessen diese innere Felsenwelt von der äusseren gänzlich ab.

Der Utah - See, gleichwie sein Abfluss, der Jordan, wimmelt von Fischen, unter denen besonders die gefleckte Lachsforelle von grossem Gewicht und trefflichem Geschmack im Überfluss vorkommt. Diese Fische bilden ein HauptNahrungsmittel der Mormonen, der Indianer und der zahllosen Schaaren von Wasservögeln, welche ihre Nester auf den kleineren und öden Felsen-Eilanden des Todten Salzsee's haben. Der Jordan-Fluss, dem See an seiner nördlichen Spitze entströmend, bricht sich seinen Weg durch das Traverse-Gebirge, dessen Lage und Richtung durch den Namen hinlänglich bezeichnet wird, und bildet sein gepriesenes,,Kanyon" (cañon) durch welches er schäumend, mit einem Abfall von etwa 100 Fuss auf zwei Engl. Meilen, zwischen vorspringenden Felsenklippen abwärts

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rauscht. Unter geschickter Leitung kann indessen dieser Engpass von Kähnen befahren werden. Unterhalb desselben fliesst der Jordan als ein schöner, breiter Strom in sanftem und schlängelndem Laufe zum Grossen Salzsee ab. Seine Ufer sind oberhalb hoch und steil, der Thalrand weicht aber vom Kanyon nach den Oquirrah-Bergen zurück, die den Fluss westwärts von dem weidereichen Bergthale von Tuilla scheiden. Die Osthänge des JordanThales werden durch mehrere kleinere Bergströme entwässert, die einen Streifen Alluvialboden von 4 bis 5 Geogr. Meilen Länge und 1 bis 2 Meilen Breite durchfliessen. Der Jordan ist wegen der Leichtigkeit, mit welcher er seine Fluthen für die nothwendige künstliche Bewässerung des oberen Salzsee-Thales leiht, und durch die dem Betriebe von Mühlen und Maschinenwerken niemals fehlende Kraft seiner abfallenden Gewässer für die Mormonen von unberechenbarer Wichtigkeit.

Wir kommen nunmehr zum Ostufer des Grossen Salzsee's, welches die Haupt- Niederlassungen der Mormonen trägt. Hier, längs des westlichen Fusses der steilen Wahsatch-Berge, deren wenige Pässe wir umständlich beschrieben, dehnt sich ein Streifen flachen Uferlandes bis zum Bären-Flusse im Norden des Thales. Er umfasst den kulturfähigen Boden desselben und misst, wenn wir die Thäler des Jordan und des Utah-See's dazu rechnen, etwa 30 Geogr. Meilen in der Länge. Dieser Boden, gebildet aus dem zersetzten feldspathigen Granit und Gneis der Gebirge und reichlich mit zertrümmertem Kalkstein gemischt, enthält selbstverständlich die Elemente unbeschränkter Fruchtbarkeit in sich, aber der Mangel an Regen während der Periode des Wachsthums und der lose, poröse Charakter der Oberfläche, welche die voll herabschiessenden Wasser der Bergströme, noch ehe sie die Ebene erreichen, schnell verschluckt, machen den grössten Theil dieser Ebene zwischen dem Fusse der Berge und dem Uferrande des See's im äussersten Grade steril. Wo aber durch Dämme und Abzugskanäle von der Mündung der cañons aus eine künstliche Bewässerung geschaffen wird, da bringt der gewonnene Ackerboden dem fleissigen Anbauer hundertfältige Frucht. Alle die gewöhnlichen Feld- und Gartenfrüchte (Mais, das Hauptprodukt der östlichen Staaten, ausgenommen, für den die herbstlichen Fröste zu früh eintreten) gedeihen zu einer ausserordentlichen Grösse und in ganz vorzüglicher Güte 1). Das Klima des Thals wird als

1) Wo die Bedingungen einer rationellen Bewirthschaftung befolgt werden, lassen sich z. B. 40 bis 60 Bushel Weizen vom Acre (ungefähr 25 bis 40 Scheffel von 1 Preuss. Morgen) mit Sicherheit erwarten. Kapitän Stansbury beglaubigt u. A. einen Fall, wo 180 Bushel auf drei und einem halben Acre von einem einzigen Bushel Aussaat gewonnen wurden. Wurzelkräuter aller Art und Gemüse im Allgemeinen kommen fast noch besser fort.

günstig und durchaus gesund geschildert, und zwar nicht nur von den Bewohnern, sondern auch von den Theilnehmern der allen möglichen Strapazen ausgesetzten Expeditionen. Die Hitze in den Sommertagen ist allerdings auf der baumlosen, rings abgeschlossenen Ufer-Ebene oft sehr drückend, wird aber durch die in ungewöhnlichem Grade Statt habende, Wärme bindende Verdunstung der Wasser des See's etwas gemässigt. Die Temperatur steigt zuweilen bis zu 30° R., fällt aber bei ihrer grossen Veränderlichkeit oft in wenigen Stunden bis zu empfindlicher Kühle ). Die Atmosphäre erscheint fast immer wie von einem leichten Nebeldufte gefärbt und in der beinahe regenlosen Jahreszeit, vom Mai bis Oktober, erschweren überdiess Wolken kleiner Insekten das Erkennen ferner Gegenstände. Dagegen weht zu dieser Zeit ein kühler Luftzug aus den cañons der Bergseiten von den Höhen herab und macht den Aufenthalt in der Nähe dieser Zufluchtsstätten gegen die brennenden Sonnenstrahlen und plagenden Moskitos und Sandfliegen äusserst angenehm. Die Herbst- und Winterstürme sind oft sehr heftig. Im Thale selber liegt der Schnee, zum Theil in Folge der vielen warmen Quellen, weder tief noch lange, dagegen füllen sich die Thalschluchten und Pässe, wie schon bemerkt, mit unergründlichen Schneewehen und schliessen die Bewohner „Deseret's" auf fünf Monate fast gänzlich von der Aussenwelt ab.

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1) Nach den von den Offizieren der verschiedenen Expeditionen aufgezeichneten meteorologischen Beobachtungen, welche einen Zeitraum von 3 Jahren und 10 Monaten umfassen (wobei aber die drei Monate August, Sept. und Okt. gewisser Unterbrechungen wegen unbestimmt gelassen wurden), vertheilt sich die Wärme durchschnittlich für die einzelnen Monate nach Graden Réaumur's folgendermaassen: Jan. 2,18, Febr. 1,34, März 3,47, April 8,01, Mai 14,76, Juni 18,58, Juli 22,00, Nov. 4,20, Dez. 0,93. Diess gäbe etwa für das Frühjahr 8,76, für den Sommer 20 und für den Winter den Gefrierpunkt. Vgl. L. Blodget: Climatology of the United States. Phil. 1857. S. 50 f.

2) Von allen den zahlreichen, meist mit Parteilichkeit und Leidenschaft geschriebenen Nachrichten und Werken über die Mormonen und ihr Wesen und Treiben ist mir keines bekannt, das mit grösserer Klarheit und Unparteilichkeit und in einem so trefflichen, gedrängten Style diesen Gegenstand behandelt, als ein kleines Werk des durch seine Forschungen im Westen (als Assistent in Kapitän Stansbury's Expedition und als Leiter der Expedition auf dem 38. und 39. Breitengrade) rühmlichst bekannten Ingenieur-Kapitäns Gunnison, der leider auf der letzten Forschungsreise im J. 1853 einen grausamen Tod mit seinen Gefährten (darunter zwei talentvollen Deutschen, dem Landschaftszeichner und Topographen R. H. Kern und dem Botaniker J. Kreutzfeldt) unter den Händen einer Bande Utah-Indianer fand. Das bezeichnete Werk führt den Titel: The Mormons or Latter Day Saints in the Valley of the Great Salt Lake. Phil. 1853. Es ist eine Geschichte des Erstehens, der Fortschritte, eigenthümlichen Doktrinen, des gegenwärtigen Zustandes und der Aussichten der Mormonen, nach

dürfen voraussetzen, dass dem Leser im Allgemeinen die Schicksale, Bestrebungen und Hoffnungen jener ReligionsSekte bekannt sind. Wir wollen hier nur in gedrängtester Übersicht den lokalen Charakter ihrer Niederlassungen beschreiben, um durch die Kenntniss desselben ein näheres Verständniss der gegenwärtig vorgehenden und für die Zukunft des westlichen Kontinents überaus wichtigen Ereignisse vorzubereiten.

Die,,Salzsee-Stadt", wie sie genannt wird (Salt Lake City), der Hauptort der Mormonen-Niederlassungen und ihr „Zion", wurde erst im Sommer 1847 von den Pionnieren der grossen Mormonen-Emigration aus den westlichen Staaten angelegt. Ihre geographische Lage ist unter 40° 46' N. Br. und 112° 6' W. L., 4350 F. über dem Meeresspiegel, hart am westlichen Fuss der unter dem Namen Wahsatch bekannten Bergkette des östlichen Utah-Territoriums, etliche Meilen südlich vom Salzsee und auf dem rechten Ufer des Jordan-Flusses.

Der Plan der Stadt ist trefflich und umfassend und zeigt nicht nur den praktischen, sondern auch fern blickenden Geist ihres Gründers und genialen ,,Propheten". Das ganze Stadtgebiet ist in regelmässigen Quadraten ausgelegt, die von breiten Strassen rechtwinklig durchschnitten werden. Jedes Strassen-Viereck ist 40 Ruthen im Quadrat, zu je acht Baustellen abgetheilt, von denen jede 11 Acker Grund und Boden enthält. Jedes Haus steht mit der Frontseite 20 Fuss von dem Strassensteige ab und der so frei gelassene Raum ist zur Anpflanzung von Ziersträuchern und Bäumen bestimmt, eine Anordnung, die in dem baumund schattenlosen Thale von den wohlthätigsten Folgen sein wird. Die Strassen mit Trottoirs von 20 Fuss sind. 130 Fuss weit. Ein unversieglicher Strom reinen und süssen Wassers fliesst durch die Stadt und vertheilt dasselbe durch ein sinnreiches System von Abzugskanälen nach beiden Seiten hin zu jedem Hause und in jeden Gartenplatz. Die Häuser sind natürlich meistens klein, einstöckig und (da Holz sehr spärlich in diesen Gegenden vorkommt und selbst zu den geringsten Bedürfnissen aus den cañons und von den Hochthälern durch Lastthiere herbeigeschleppt werden muss) aus Lehm gebaut, der an der Sonne zu Ziegeln getrocknet worden. Mit der zunehmenden Blüthe der Niederlassung erweiterten sich natürlich auch Privat- und öffentliche Unternehmungen und die Stadt besitzt jetzt schon manche treffliche und umfangreiche Gebäude. Über alle diese ragen die Grundmauern

eigenen Beobachtungen niedergeschrieben. Ein sehr empfehlenswerthes Deutsches Werk über denselben Gegenstand, welches sich auf das eben genannte und auf verschiedene noch neuere Angaben stützt, ist,,die Geschichte der Mormonen von Theodor Olshausen aus St. Louis" (erschienen in Göttingen 1856).

des Tempels hervor, zu dessen Bau und Einrichtung jeder „Heilige" seinen Zehnten an Geld und Arbeit zu entrichten hat und der bestimmt ist (wie die Gläubigen versichern), an Grösse und Pracht alle Tempelbauten der Erde eben so weit zu überragen, wie ihre Religion die,,des Restes der Menschheit" übertrifft. Die meisten öffentlichen Gebäude und das Haus des Präsidenten oder Hohenpriesters zieren den weiten Platz um dieses moderne Zion herum.

Die Umgebung der Stadt hat eigenthümliche Schönheiten und ist überdiess sehr günstig für die Entwickelung einer zahlreichen Bevölkerung. Die Ebene, in welcher sie liegt, wird durch einen vom Fuss der Hauptkette vorspringenden Bergrücken im Osten umschlossen. Der Jordan bespült sie im Westen, während das Auge südwärts eine zu blühendem Garten umgeschaffene weite Ebene überschaut. Nichts fehlt bereits zum Reiz einer vollständigen Kulturgegend, als der Schmuck von Bäumen, die langsame Arbeit der Natur für kommende Jahre.

Die Niederlassungen der Mormonen beschränken sich indessen nicht auf das Thal des Jordan und seine nächste Umgebung. Längs der ganzen Basis der Wahsatch-Berge, auf 80 Deutsche Meilen, dehnt sich derselbe kulturfähige Streifen ebenen Landes, das entweder natürliches Wiesenund Ackerland ist, oder doch durch die zahlreich abfallenden Bergströme in solches umgewandelt werden kann, während die höheren Thäler, ins Besondere die des Timpanogos, Weber-, Ogden- und Bären-Flusses, herrliche Weideregionen einschliessen. Von dem Cache-Thale des letztgenannten Stromes haben wir bereits gesprochen. Die Camas-Prairie zwischen dem oberen Timpanogos und Weber-Flusse wird als eine 12 Engl. Meilen lange und halb so breite, fruchtbare, wohl bewässerte und liebliche Hochebene geschildert, die ein ausgesuchter Sammelplatz für die zahlreichen Heerden der Mormonen ist. Ein bedeutendes Geschäft wird hier und in den benachbarten Thälern von den Viehzüchtern getrieben, welche die ermatteten und heruntergekommenen Lastthiere der Emigranten für ein Billiges erhandeln, auf diesen geschützten Bergweiden dieselben wieder aufbringen und mit grossem Gewinn entweder gegen neu ankommendes Vieh der Emigranten-Züge vertauschen oder nach dem Markte Kaliforniens oder Oregons treiben. Weiter nordwärts, wo der Ogden-Fluss in tiefen Schluchten aus den Bergen hervorbricht, um sich mit dem Weber-Fluss zu vereinigen, wird gleichwie am oberen Jordan eine ungeheure Wasserkraft der Industrie der Bewohner des Thals dienstbar. An seinem Ufer liegt die Mormonen-Kolonie Ogdenstadt, in der Nähe schöner Wiesen, deren ausgedehnte Flächen sich durch Berieselung sehr bedeutend erweitern lassen. Zahl

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reiche Gehöfte (Farmen) und kleine Dörfer springen überall ins Leben, wo nur die Möglichkeit einer durch Wasser gesicherten Kultur des Bodens vorhanden ist.

Auch beschränkt die Ostebene des Salzsee's keineswegs die Niederlassungen der Mormonen. Die Ansiedlungen am Utah-See haben wir bereits in Betracht gezogen. Südlich von diesem, an einem seiner Tributarien, liegt die Stadt Paysan; 30 Geogr. Meilen weiter, an der Strasse nach Kalifornien, in dem Thale San Pete blüht eine andere Kolonie; noch weiter südlich am Kleinen Salzsee von Utah, 54 Geogr. Meilen von der Hauptstadt von „,Deseret" entfernt, ist von dieser aus die „,Cedernstadt" angelegt worden, deren natürliche Vortheile, treffliches Wasser, Holz, Eisenerze und vermuthlich auch Kohlen, für ihre Blüthe viel versprechen. Überhaupt lag es in der bisherigen Politik der Mormonen, ihre Kolonien, wo es nur immer möglich war, nach Westen hin auszudehnen und so eine fortlaufende Kette von Niederlassungen ihrer Glaubens- und Gesinnungsgenossen bis zum Stillen Ocean zu gewinnen1). Es unterliegt keinem Zweifel, dass der östliche Thalrand des Grossen Salzsee's eine dichte Bevölkerung ernähren kann. Diese gäbe den Hauptkern eines neuen Staates, der gegen Osten zu vollständig durch das Felsen-Gebirge und die Amerikanischen Sandwüsten abgeschlossen liegt und mit der Zeit ganz unnahbar gemacht werden könnte. Im Westen liegt er dagegen ganz offen, es sei denn, dass die Mormonen Zeit gewännen, die Pässe der Sierra Nevada und somit die Kontrole des ganzen inneren Beckens in ihre Hände zu bekommen. Dieser Staat,,Deseret", wie sie ihn voreilig nennen, würde sich südwärts über eine weite Gebirgszone hin erstrecken, wo nur immer die ähnlichen Bedingungen zur Kultur des Bodens oder zum Unterhalt von Viehheerden sich fänden, und wir haben bereits in der allgemeinen Übersicht dieses Gebirgsgürtels

1) Die ausgedehnteste dieser Niederlassungen und eine der wichtigsten überhaupt war die von San Bernardino in Kalifornien, welche im Jahre 1851 von der Salzsee-Stadt aus gegründet worden, aber gegenwärtig aufgegeben ist.

gesehen, dass hier in der That alle die wesentlichen Bedingungen für die Gründung eines Binnenstaats und das Gedeihen eines kräftigen und thätigen Bergvolkes vorhanden sind. Kapitän Gunnison, der diese Gegenden aus eigener Anschauung kennt, bemerkt ausdrücklich, dass die Ertragsfähigkeit dieses weiten Streifen Landes, auf welchem künstliche Bewässerung durch die vom Schnee der Gipfel gespeisten Ströme ermöglicht ist, unberechenbar sei. Auf den südlicheren Parallelen liesse sich die Baumwolle und das Zuckerrohr pflanzen; unerschöpfliche Lager von Steinkohlen, reiche Eisenerze und vor Allem die trefflichste Bergweide für zahllose Schafheerden ins Besondere rechtfertigen die weit aussehende, unternehmende Politik der Mormonen-Niederlassungen. Die gegenwärtigen Störungen haben jedoch den Fortgang dieses Systems von Niederlassungen unterbrochen, da die Koncentrirung der streitbaren Kräfte der Mormonen in dem Thale des Salzsee's von den Führern dieses, mit der eingebildeten Gefahr einer wiederholten Vertreibung bedrohten, Volkes für nöthig erachtet worden. Welchen Einfluss diese Störungen auf die begonnene Kultur des grossen Plateau-Landes und auf die Civilisation der Indianer-Horden des Westens haben werden, muss die nächste Zukunft lehren. Die Bürger der Staaten verlieren diesen Punkt bei ihrem gegenwärtigen Entschlusse, die Souverainetät der Union über die Gebiete zu behaupten, keineswegs aus dem Auge. Die von Jahr zu Jahr steigende Nothwendigkeit der Anlegung einer Eisenbahn nach dem Stillen Meere macht die gleichzeitige Sicherung und Kultur der öden Gegenden, welche diese Bahn zu durchziehen hat, zu einem Gegenstande von der grössten Bedeutung, und es unterliegt keinem Zweifel, dass, wenn auch die Mormonen als solche nicht dazu berufen sind, einen in Sitte und Politik abgesonderten Staat zwischen den beiden Meeren einzuschieben dennoch der Fortschritt der Civilisation nach dem Westen durch andere, mit dem Gesammtcharakter des Amerikanischen Volkes mehr in Harmonie stehende, Kräfte bewerkstelligt werden wird.

Geographische Notizen.

Untersuchungen über die physikalische Geographie des Oceans an den Norwegischen Küsten. Dass der Golfstrom in einer seiner Ausmündungen sich bis an die nördlichsten Küsten Europa's und darüber hinaus erstreckt, wenn auch in einer nur schwachen Meeresströmung, dass das verhältnissmässig milde Klima Europäischer Küsten von Spanien bis zum Nordkap vorzugsweise dem Golfstrom zu danken ist, dass der Golfstrom allein es ist, der die Nordküsten Europa's von Arktischen Eisbergen frei hält u. s. w., sind Annahmen, die durch die Arbeiten und Ansichten der

ausgezeichnetsten Gelehrten zu unbezweifelten Thatsachen geworden sind. Dennoch haben Schottische Meteorologen in ganz neuer Zeit darzulegen versucht, dass selbst die Schottischen Küsten vom Golfstrom gänzlich unberührt und unbeeinflusst seien und dass die bisherige Annahme der Ausdehnung und des Einflusses jenes berühmten Stromes eine eingebildete und falsche sei. Es ist für diese Frage von Interesse, zu erfahren, dass die Norwegische Regierung in den Jahren 1841, 1842 und 1844 unter der Leitung der Vermessungs - Direktion verschiedene Unter

suchungen anstellen liess, die auch über obigen Gegenstand neue Thatsachen versprechen. Die Resultate dieser Untersuchungen, von denen bisher Nichts in den Druck gekommen ist, werden durch die Güte des hochverdienten Chefs der Norwegischen Generalstabs-Aufnahmen, Majors Vibe, zur Publikation in dieser Zeitschrift zusammengestellt.

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Sitzungen der K. Russ. Geogr. Gesellschaft vom 4. Dezember 1857 bis 7. Mai 1858. Aus den Bulletins über diese Sitzungen erfahren wir zunächst Einiges über die letzten Arbeiten und nächsten Pläne der Sibirischen Expedition. Der Astronom Schwarz verfolgte im Juli und August vorigen Jahres den Lauf des Witim von der Mündung 540 Werst aufwärts bis zu dem Wasserfall Dyljun'-Urán oberhalb der Einmündung des Emalyt, eines von der rechten Seite kommenden Nebenflusses des Witim. Der eigentliche Wasserfall, der erste der drei grossen Fälle des Witim, befindet sich zwei Werst über dem Dyljun'-Urán. Auf Grund seiner Untersuchungen hat er eine Karte des Witim-Bassins konstruirt, auf welcher die schon früher bekannten Punkte genau von denen unterschieden werden, die durch diese Expedition bestimmt wurden, so wie von denjenigen, die für die Wissenschaft nur ungenau bestimmt bleiben. Besonders arm an geographischen Bestimmungen zeigen sich hier zwei Landstriche der zwischen der Lena, dem untern Witim und dem gebirgigen nördlichen Ufer der nördlichen Angara und die Strecke zwischen der Zypa und dem Witim oder das Thal des Amalat, eines Nebenflusses des Witim. Für den letzteren Landstrich, den Schauplatz der Forschungen des verstorbenen Smirjagin, sind jedoch einige Marschrouten vorhanden, vermittelst deren wenigstens die allgemeinen Umrisse jener Länderstrecken bestimmt werden können. In diesem Jahre soll Herr Ussolzow die Gegenden zwischen der Lena, dem mittleren Witim und der nördlichen Angara bereisen, während sich die übrigen Mitglieder der Expedition mit dem südlichen Theile des Nischne-Udinskischen, dem Minussin'schen Kreise und dem Thale der südlichen Angara beschäftigen werden. Dabei wird Herr Roschkow die Angara von Irkutsk bis Jenisseisk hinabgehen und drei bis vier Punkte des Laufes bestimmen, da es auf dieser ganzen Strecke der Angara keinen einzigen astronomisch bestimmten Punkt giebt. Herr Schwarz selbst wird so weit wie möglich nach den Quellen des Jenissei vordringen.

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Herr Radde, der auch im vorigen Jahre seine Forschungen am Amur fortsetzte, hat im Juni und Juli das Ching-gan-Gebirge, die in der Nähe desselben befindlichen zahlreichen Inseln des Amur und die Gegend am Ussuri untersucht. Unter Anderm macht er die Bemerkung, dass die Umgegend des Ussuri, obwohl sie südlicher als das Gebirge Ching-gan liegt, dennoch an Pflanzen ärmer als dieses sei. Der Khorassan'schen Expedition, welche aus den Herren Chanykow als Leiter, Prof. v. Bunge als Botaniker und Arzt, H. Göbel als Geologen, H. Lenz als Physiker und Kapitän - Lieutenant Ristori besteht, wird sich auch Graf Keyserlingk auf eigene Kosten anschliessen. Den Prof. v. Bunge begleitet als Gehülfe Herr Student Bienert. Die neu gegründete Handelsgesellschaft des Kaspischen Meeres hat für dieses Jahr 3000 Rubel Silber zum Besten dieser

Expedition zur Verfügung gestellt. Ausser 2000 Rubel Silber von Seite der Geographischen Gesellschaft wird die Expedition auch von der Regierung eine bedeutende Unterstützung erhalten. Die unter dem Vorsitz des Herrn General von Blaramberg gebildete Kommission zur Herausgabe einer Generalkarte von Russland hat beschlossen: 1) die Karte in Kupfer graviren zu lassen; 2) bei der Gebirgszeichnung das Lehmann'sche System anzuwenden; 3) nur die Uralischen, Kaukasischen, Krim'schen, Karpathischen und Finnländischen Gebirge in die Karte aufzunehmen, da die übrigen Bodenerhebungen wissenschaftlich noch nicht bestimmt sind; 4) alle in Russland bestimmten Höhenpunkte mit Zahlen anzugeben; 5) die Herstellung einer Ausgabe der Karte mit Lateinischer Schrift der Perthes'schen Geogr. Anstalt in Gotha zu überlassen. Endlich ist beschlossen worden, nach dem Muster der Geographischen Gesellschaften zu London und Paris alljährlich vier goldene und eine unbestimmte Anzahl silberner und bronzener Preismedaillen zu vertheilen.

Russische statistisch-geographische Werke. Aus einer Reihe von Briefen, welche wir kürzlich von einem geehrten Korrespondenten in St. Petersburg erhielten, theilen wir unseren Lesern einige interessante Stellen mit, die sich auf verschiedene Russische geographische Arbeiten beziehen. Bei Erwähnung einer statistischen Beschreibung des Gouvernements Kutais, die vor Kurzem im Druck erschienen ist (ein Band in gross Oktav, 334 Seiten haltend), heisst es:,,Ausser den grossartigen geodätischen Arbeiten, welche im Russischen Reiche fortwährend ausgeführt werden, sind schon seit 1837 durch den Kaiserl. Generalstab topographisch - statistische Beschreibungen der verschiedenen Ländergebiete des ungeheueren Reiches gemacht worden. Bisher waren aber diese Arbeiten nicht der Öffentlichkeit übergeben, sondern die seit 1838 in drei Auflagen gedruckten topographisch - statistischen Beschreibungen von 69 Gouvernements und Provinzen wurden nur den verschiedenen Behörden zum Gebrauche verabfolgt. Seit vergangenem Jahre sind nun 51 Generalstabs-Offiziere in eben so viel Gouvernements abgeschickt worden, um deren topographisch-statistische Beschreibungen zu revidiren, zu vervollständigen und nach einem neuen Programme zusammenzustellen. Von diesen Beschreibungen wird nun eine neue Auflage gedruckt und dem Publikum überlassen unter dem Titel: ,,Statistische Beschreibungen der Gouvernements und Provinzen des Russ. Reiches, auf Höchsten Befehl durch den Kaiserl. Generalstab herausgegeben" (in Russischer Sprache). Der Beschreibung jedes Gouvernements oder jeder Provinz wird eine Karte beigelegt, vielleicht auch mehrere, um dem Werke mehr Interesse zu geben. Die obere Leitung dieser statistischen Arbeiten, welche an Vollständigkeit der Materialien und Details wenig oder nichts zu wünschen übrig lassen, ist dem General-Quartiermeister des Kais. Generalstabs, General-Adjutanten Baron v. Lieven, anvertraut."

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