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Ich wollte nicht gern, daß man diese Untersuchung nach ihrer Veranlassung schäßen möchte. Ihre Veranlassung ist so verächtlich, daß nur die Art, wie ich sie genußt habe, mich entschuldigen kann, daß ich sie überhaupt nußen wollen.

Nicht zwar, als ob ich unser jeßiges Publikum gegen alles, was Streitschrift heißt und ihr ähnlich sieht, nicht für ein wenig allzu edel hielte. Es scheint vergessen zu wollen, daß es die Aufklärung so mancher wichtigen Punkte dem bloßen Widerspruche zu danken hat, und daß die Menschen noch über nichts in der Welt einig seyn würden, wenn sie noch über nichts in der Welt gezankt hätten.

„Gezankt;" denn so nennt die Artigkeit alles Streiten: und Zanken ist etwas so unmanierliches geworden, daß man sich weit weniger schamen darf, zu hassen und zu verleumden, als zu zanten.

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Bestünde indeß der größere Theil des Publikums, das von keinen Streitschriften wissen will, etwa aus Schriftstellern selbst: so dürfte es wohl nicht die bloße Politesse seyn, die den polemischen Ton nicht dulden will. Er ist der Eigenliebe und dem Selbstdünkel so unbehäglich! Er ist den erschlichenen Namen so gefahrlich!

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Aber die Wahrheit, fagt man, gewinnt dabei so selten. So selten? Es sey, daß noch durch keinen Streit die Wahrheit ausgemacht worden: so hat dennoch die Wahrheit bei jedem Streite gewonnen. Der Streit hat den Geist der Prüfung genährt, hat Vorurtheil und Ansehen in einer beständigen Erschütterung erhalten; kurz, hat die geschminkte Unwahrheit verhindert, sich an der Stelle der Wahrheit festzuseßen.

Auch kann ich nicht der Meinung seyn, daß wenigstens das Streiten nur für die wichtigern Wahrheiten gehöre. Die Wichtigkeit ist ein relativer Begriff, und was in einem Be tracht sehr unwichtig ist, kann in einem andern sehr wichtig werden. Als Beschaffenheit unserer Erkenntniß ist dazu eine Wahrheit so wichtig als die andere: und wer in dem aller: geringsten Dinge für Wahrheit und Unwahrheit gleichgültig ist, wird mich nimmermehr überreden, daß er die Wahrheit bloß der Wahrheit wegen liebt.

Ich will meine Denkungsart hierin niemanden aufdrin gen. Aber den, der am weitesten davon entfernt ist, darf ich wenigstens bitten, wenn er sein Urtheil über diese Untersuchung öffentlich sagen will, es zu vergessen, daß sie gegen jemand gerichtet ist. Er lasse sich auf die Sache ein, und schweige von den Personen. Welcher von diesen der Kunstrichter gewogener ist, welche er überhaupt für den bessern Schriftsteller hält, verlangt kein Mensch von ihm zu wissen. Alles was man von ihm zu wissen begehrt, ist dieses, ob er, seinerseits, Leffing, Werte. V.

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in die Wagschaale des einen oder des andern etwas zu legen habe, welches im gegenwärtigen Falle den Ausschlag zwischen ihnen ändere oder vermehre. Nur ein solches Beigewicht, auf: richtig ertheilt, macht ihn dazu, was er seyn will; aber er bilde sich nicht ein, daß sein bloßer kahler Ausspruch ein solches Beigewicht seyn kann. Ist er der Mann, der uns beide übersieht, so bediene er sich der Gelegenheit, uns beide zu belehren.

Von dem Tumultuarischen, welches er meiner Arbeit gar bald anmerken wird, kann er sagen, was ihm beliebt. Wenn er nur die Sache darunter nicht leiden läßt. Allerdings hätte ich mit mehr Ordnung zu Werke gehen können; ich hätte meine Gründe in ein vortheilhafteres Licht stellen könnễn; ich hätte noch dieses und jenes feltene oder kostbare Buch nußen können; was hätte ich nicht alles!

Dabei sind es nur längst bekannte Denkmale der alten Kunst, die mir freigestanden, zur Grundlage meiner Untersuchung zu machen. Schäße dieser Art kommen täglich mehrere an das Licht, und ich wünschte selbst von denen zu seyn, die ihre Wißbegierde am ersten damit befriedigen können. Aber es wäre sonderbar, wenn nur der reich heißen sollte, der das meiste frisch gemünzte Geld besißt. Die Vorsicht erforderte vielmehr, sich mit diesem überhaupt nicht eher viel zu bez mengen, bis der wahre Gehalt außer Zweifel gefeßt worden.

Der Antiquar, der zu einer neuen Behauptung uns auf ein altes Kunstwerk verweiset, das nur er noch kennt, das er zuerst entdeckt hat, kann ein sehr ehrlicher Mann seyn, und es wäre schlimm für das Studium, wenn unter achten nicht sieben es wären. Aber der, der, was er behauptet, nur aus dem behauptet, was ein Boissard oder Pighius hundert und mehr Jahre vor ihm gesehen haben, kann schlechterdings kein Betrieger seyn; und etwas Neues an dem Alten entdecken, ißt

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