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einen Blick auf einen Stein beim Natter. Er ist, als ob ich ihn zum Behuf meiner Meinung ausdrücklich hätte schneiden lassen, und ich kann mich daher nicht enthalten, Ihnen einen Abriß davon beizulegen. 1 Betrachten Sie: hier hängt offenbar das Schild des stehenden Soldaten, der seinen verwun= deten Gefährten vertheidigt, an dem bloßen Armriemen, und hängt so tief herab, daß es völlig das vorgesezte Knie decken könnte, wenn der Spieß nicht so hoch, sondern mehr geradeaus geführt würde. Wundern Sie sich aber nicht, daß das Schild innerhalb dem Arme hängt; der Künstler wollte sich die Ausführung des linken Armes ersparen, und versteckte ihn hinter dem Schilde, da er eigentlich vor ihm liegen sollte. Vielleicht erlaubte es auch der Stein nicht, in den Schild oben tiefer hineinzugehen, und so den Arm herauszuholen, als unten der Kopf des liegenden Kriegers herausgeholt ist. Dergleichen Unrichtigkeiten finden sich auf alten geschnittenen Steinen die Menge, und müssen, der Billigkeit nach, als Mängel betrachtet werden, zu welchen die Beschaffenheit des Steines den Künstler gezwungen hat.

Vierzigster Brief.

Und nun wieder zu Hr. Kloßen! Es wäre unartig, wenn wir ihm mitten aus dem Collegium wegbleiben wollten. Er lehrt uns zwar wenig; aber dem ungeachtet können wir viel bei ihm lernen. Wir dürfen nur an allem zweifeln, was er sagt, und uns weiter erkundigen.

Wo blieben wir? — Bei der Art, wie die alten Steinschneider in ihrer Kunst verfahren, von der Plinius wenig oder nichts gewußt haben soll. Daß Hr. Kloß nichts davon 1 S. Taf. IX. Beim Natter ist es auch die neunte Lafel.

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weiß, haben wir gesehen. Doch will er noch zwei Anmerkungen beifügen, die beide das Mechanische der Kunst betreffen." 1

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Die erste dieser Anmerkungen geht auf die Form der Steine. Die alten Künstler," sagt Hr. Klok, pflegten gern ihre Steine hoch und schildförmig zu schleifen.” — Einen Augenblick Geduld! Die alten Künstler? Sie selbst? Das heißt, ihnen auch sehr viel zumuthen. So weit, sollte ich meinen, hätten sich die alten Künstler die Steine wohl können in die Hand arbeiten lassen. Es sind ja jekt drei ganz verschiedene Leute, die sich in die Verarbeitung der Edelsteine getheilt haben: der Steinschleifer, le Lapidaire; der Steinschneider, le Graveur en pierres fines; und der Juwelier, le Jouaillier oder le Metteur en œuvre.

Warum sollte das nicht auch bei den Alten gewesen seyn? Und es ist allerdings gewesen. Sie hatten ihre Politores, sie hatten ihre Scalptores, sie hatten ihre Compositores gemmarum.

Politores gemmarum hießen die Steinschleifer; denn polire heißt nicht bloß, was wir im engen Verstande poliren nennen, welches man genauer durch lævigare ausdrückt; son= dern es heißt auch zuschleifen. So sagt Plinius: Berylli omnes poliuntur sexangula figura; sie werden alle sechseckig geschliffen. Und nicht allein das Schleifen aus dem Groben, und das Poliren, glaube ich, war dieser Leute Sache. Sie verstanden sich, ohne Zweifel, auf alle und jede Toyama ngos to daμngov, auf alle und jede Hülfsmittel und Kunstgriffe, die Steine reiner, klärer und glänzender zu machen. Natter bemerkte, daß die alten Carneole und Onyche, auch wenn die Arbeit darauf noch so schlecht sey, dennoch sehr feine

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und lautere Steine wären; er schloß also, daß einige alte Künstler wohl das Geheimniß dürften gehabt haben, sie zu reinigen, und ihrem Glanze nachzuhelfen, indem man jeħt unter tausenden kaum einen finde, der das nämliche Feuer habe. Es streiten, sagt er, für diese Muthmaßung noch andere stärkere und überzeugendere Gründe, die ich dem neugierigen Lefer indeß zu errathen überlasse, bis ich sie ihm bei einer andern Gelegenheit selbst mittheilen kann. Natter hat sehr richtig gemuthmaßt, wenn es anders bloße Muthmaßung bei ihm war, was Plinius mit ausdrücklichen Zeugnissen bestätigt, der uns sogar eines von den Mitteln aufbehalten hat, dessen sich die Steinschleifer zu dieser Absicht bedienten. Omnes gemmæ, sagt er, 2 mellis decoctu nitescunt, præcipue Corsici: in omni alio usu acrimoniam abhorrentes. Eine bloße Reinigung der äußern Fläche kann nicht gemeint seyn; dieser decoctus mellis Corsici mußte tiefer dringen, und durch die ganze Masse des Steines wirken. Die Schärfe des Corsischen Honigs, die ihn hierzu vornehmlich geschickt machte, obgleich sonst die Edelsteine scharfe Säfte nicht wohl vertragen können, schreibt Plinius an einem andern Orte 3 der Blüthe des Burbaumes zu, welcher in Corsica sehr häufig wachse. Ich merke dieses an, um in Ermangelung des Cor: sischen Honigs, unser gemeines Honig mit zerquetschten

1 Zum Schlusse seiner Borrede: Je suis dans l'opinion, que quelques Graveurs anciens possédoient le secret de rafiner ou de clarifier les Cornalines et les Onyx, vù la quantité prodigieuse de Cornalines fines et mal gravées que les Anciens nous ont transmises; tandis qu'à présent à peine en touve-t-on une entre mille qui ait le même feu. Il y a encore d'autres raisons plus fortes et plus convaincantes en faveur de celte conjecture; mais je laisse aux Curieux à les deviner, en attendant que je trouve une autre occasion de les leur communiquer.

* Lib. XXXVII. Sect. 74.

Lio. XVI. Sect. 18.

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