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Anmerkungen verstehen will, die Herr Klopstock mehr im Vorbeigehen, als mit Vorsaß zu machen scheint. Und so geht es, wenn ein Genie von seiner Materie voll ist, und die tiefsten Geheimnisse derselben kennt, wenn ec davon reden muß, wird er selten wissen, wo er anfangen foll; und wenn er dann an: fängt, so wird er so vieles vorausseßen, daß ihn gemeine Leser dunkel, und Leser von etwas besserer Gattung fuperficiell schelten werden. Es befremdet mich also gar nicht, daß auch den Kunstrichter in der Bibliothek die Gedanken des Herrn Klopstock nicht gänzlich überzeugt haber, und daß ihm überhaup: der prosaische Vortrag desselben nicht allzu ordentlich und angenehm vorkommt. Mir gefällt die Prosa unseres Dichters ungemein wohl; und diese Abhandlung insbesondere ist ein Muster, wie man von grammatikalischen Kleinigkeiten ohne Pedanterie schreiben soll.

Sogar hat der Kunstrichter die allerwichtigste Erinnerung des Herrn Klopstock gänzlich übersehen. Sie betrifft das Geheimniß des poetischen Perioden; ein Geheimniß, welches uns unter andern den Schlüssel giebt, warum alle lateinische Dichter in Ansehung der Harmonie so weit unter dem Virgil bleiben, obgleich jeder ihrer Herameter, für sich be trachtet, eben so voll und wohlklingend ist, als jeder einzelne des Virgil.

Indem ich des Herameters und des Herrn Klopstock hier gedenke, fällt mir ein, Ihnen eine kleine Entdeckung mitzutheilen. Man hat gefragt, ob Herr Klopstock der erste sey, der deutsche Herameter gemacht habe? Nein, heißt es, Herr Gottsched hat schon lange vor ihm dergleichen gemacht. Und lange vor Gottsched, seßen noch Belesenere hinzu, Heraus. Aber auch Heräus ist nicht der Erste, sondern diesen glaube ich ein ganzes Jahrhundert früher in dem deutschen

Ueberseßer des Rabelais1entdeckt zu haben. Es ist bekannt, wie frei dieser mit seinem Originale umgegangen, und wie viel er ihm eingeschaltet hat. Unter seine Zusäße nun geöört auch, am Ende des zweiten Capitels, der Anfang eines Heldengedichts in gereimten deutschen Herametern, das, wie es scheint, ein scherzhaftes Heldengedicht hat werden sollen. Die Herameter sind nach der damaligen Zeit recht sehr gut, und der Ueberseher sagt, er führe sie deßwegen hier an: „Die: weil daraus die Künstlichkeit der Teutschen Sprach in aller: hand Karmina bescheit; und wie sie nun nach Anstellung des Herametri, oder sechsmäßiger Sylbenstimmung und filben: mäßigen Sechsschlag, weder den Griechen noch Latinen (die das Muß allein essen wollten,) forthin weiche." Er fährt in seiner possirlichen Sprache fort: , Wenn sie schon nicht die Prosodie oder Stimmäßigung also Abergläubig, wie bei ihnen halten, so ist es erst billig, denn wie sie ihr Sprach nicht von andern haben, also wollen sie auch nit nach andern traben: eine jede Sprach hat ihre sondere angeartete Tönung, und soll auch bleiben bey derselben Angewöhnung.“ Ich weiß, daß Sie es nicht ungern sehen werden, wenn ich Ihnen den Anfang selbst abschreibe. Er lautet so:

"

Fahr fittiglich, fittiglich, halt ein mein wutiges G'müthe.
Laß dich versicheren die kluge þimmlische Güte,

Daß du nit frefelich ohngefehr fährst auf hohen Sande,
Und schaffest ohne Bedacht dem Wisart ewige Schande.
Deun jagen zu hißiglich nach Ehr und ewigem Preise,
Das jaget ein oftermal zu sehr in spöttliche Weise.
Sintemal wir Reimenweiß understan ein ungepflegts Dinge,
Daß auch die Teutsche Sprach füßiglich wie Griechische springe.
Darum, weil ich befind ungemäß die Sach meinen Sinnen,
1 Die Ueberseßung ist 1617 gedruckt.

Berd ich benöthiget höhere Sülf zu gewinnen.
Dann drumb sind sonderlich aufgebawt die bimmlische Feste,
Daß allda jederzeit Hülf suchen Frrdische Gäste.
Omühsame Musen, Tugendsame und Mutsame Frawen,
Die täglich schawen, daß sie die Künstlichkeit bawen,
Die keine Müh nimmermehr schewen zu fördern diese,
Sondern die Müchlichkeit nehmen für Müßigang süsse,
Bann ihr dieselbige nach Wunsch nur fruchtwarlich endet,
Drumb bitt ich inniglich, daß ihr mir Fördernuß sendet,
Durch euere Mächtigkeit, damit ir Gemüter erregen,
Da sie ergaistert nüßliches was öffenen mögen,
Zu unserem jeßigen groffen vorhabenden Werke,

Bon Mannlicher Tugend und mehr dann Menschlicher Stärke,
Des streitwaren Hadenback 2c.

(Die Fortseßung folgt künftig.)

VIII.

Den 22. Februar 1759.

Beschluß des achtzehnten Briefes.

Es nennt sich unser deutscher Ueberseßer des „Rabelais“, Huldrich Elloposkleros, und es ist höchst wahrscheinlich, daß Johann Fischart unter diesem Namen verborgen liegt. Ellow heißt stumm, und ist bei den griechischen Dichtern das ge= wöhnliche Beiwort der Fische, daher es auch oft für sich allein einen Fisch bedeutet; und lonоozlygos folglich muß einen ἐλλοποσκληρος Mann bezeichnen, den das Loos der Fische getroffen, der von

1

1 Von dem angeführten Ellʊy nämlich, und zlygos das Loos, so wie Baguzinços, Navzλygos. Nech natürlicher zwar würde man es von E2loy und oxingos hart herleiten können, daß es so viel hieße, als Fischbart, zusammengezogen Fisch art.

Fischart ist. Und was kann einander ähnlicher seyn, als dieser deutsche „Rabelais,“ und der deutsche Bienenkorb des Philipp von Marnir, von welchem leßtern man es gewiß weiß, daß ihn Fischart überseßt hat.

Vor dem angeführten Eingange läßt Fischart noch eine Zueignung an die deutsche Nation vorhergehen. Sie ist in Herametern und Pentametern abgefaßt, bei welchen leßtern dieses Besondere ist, daß nicht allein Pentameter mit Pentameter, sondern auch jedes Hemistichion mit dem andern reimt. Ich bitte Sie, vornehmlich auf die leßten acht Zeilen aufmerksam zu seyn.

Dapfere meine Teutschen, redlich von Gemüt und Geblüte,

Nur ewerer Herrlichkeit ist dieses hie zubereit.

Mein Zuversicht jederzeit ist, hilft mir göttliche Güte,
Bu vreisen in Ewigkeit, ewere Großmütigkeit.
Ihr seyd von Redlichkeit, von großer streitbarer Hande,
Berümbt durch alle Land, immerdar ohn Widerstand:
So wer es euch allesampt fürwar ein mächtige Schande,
Wird nit das Vaterland in Künstlichkeit auch bekannt.
Drumb dieselbige sonderlich zu förderen eben:

So hab ich mich unverzagt, auf ießiges gern gewagt,
Und hof solch Reymes Art werd euch Ergößlichkeit geben,
Sintemal ein jeder fragt, nach Newerung die er sagt.
Harpffenweis Orpheus, jeßumal kompt wiederumb hoche
Dein artige Repmenweiß, zu ihrigem ersten Preiß.
Denn du ein Tracier von Geburt und teutscher Sprache,
Der erst solch unterweist, frembde Völker allermeist,
Dieselbige lange Zeit haben mit unserer Künste,

Allein sehr stolziglich, gepranget unbilliglich:

Jezumal nun baß bericht, wollen wir den fälschlichen Dunste

Ihn nemmen vom Angesicht, uns nemmen zum Erbgedicht.

Das heißt wahrhaftig ein fremdes Sylbenmaaß mit einer sehr artigen Empfehlung einführen. Die Empfehlung des Heräus ist lange so sinnreich nicht, wenn er zu seinem Helden sagt: Lehrst du die Deutschen dein Reich wie Römer verfechten,

Darf ja der Deutschen ihr Reim römischen ähnlicher seyn. Verschiedene Jahre nach Fischart hat Alsted in seiner Encyklopädie“ wieder ein Muster von deutschen Herametern gegeben, welches ich lange Zeit für das erste gehalten. Die erste Ausgabe der „Encyklopädie" ist von 1620 in Quart, und in dieser findet es sich noch nicht, sondern erst in der nachherigen vollständigern Ausgabe in Folio.

Von Alsteden aber bis auf den Heräus habe ich des deutschen Herameters nirgends gedacht gefunden. Auch nicht einmal in den Lehrbüchern der Dichtkunst, wo doch Muster in andern lateinischen Sylbenmaaßen, in dem Alcaischen zum Erempel vorkommen. Dergleichen Kleinigkeiten zu wissen, ist deßwegen gut, um bei gewissen Lesern dem Vorwurfe der Neuerung vorzubauen.

Neunzehnter Brief.

1

Ich komme auf unsern „Messias“ zurück. Der Kunstrichter tadelt an dem Dichter unter andern, 1„daß er zu weilen seine Wortfügungen dermaßen verwirre, daß sich die Beziehung der Begriffe auf einander verliere, und sie dunkel werden müßten." Er führt folgendes Beispiel an:

Fesert! Es flamm Anbetung der große, der Sabbat des Bundes, Von den Sonnen zum Throne des Richters! Die Stund ist gekommen. und seßt hinzu: „Wer diese zwei Verse ungezwungen erklärt,

1 Des ersten Bandes zweites Stück. S. 328.

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