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Um Wiß, um Lebensart zu zeigen, was für albernes Zeug habe ich nicht gesprochen! Eheliche Treue, beständige Liebe, pfui, wie schmeckt das nach dem kleinstädtischen Bürger! Der Mann, der seiner Frau nicht allen Willen läßt, ist ein Bär! Der es ihr übel nimmt, wenn sie auch andern gefällt und zu gefallen sucht, gehört ins Tollhaus. So sprach ich, und mich hätte man da sollen ins Tollhaus schicken.

Dubois. Aber warum sprachen Sie so?

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Dorante. Hörst du nicht? Weil ich ein Geck war und glaubte, es ließe noch so galant und weise. Inzwischen wollte mich meine Familie verheirathet wissen. Sie schlugen mir ein junges, unschuldiges Mädchen vor, und ich nahm es. Mit der, dachte ich, soll es gute Wege haben; die soll in meiner Denkungsart nicht viel ändern; ich liebe sie jeßt nicht besonders, und der Besiß wird mich noch gleichgültiger gegen sie machen. Aber wie sehr habe ich mich betrogen! Sie ward täglich schöner, täglich reizender. Ich sah es und entbrannte, und entbrannte je mehr und mehr; und jeßt bin ich so verliebt, so verliebt in sie

Dubois. Nun, das nenne ich gefangen werden! Dorante. Denn ich bin so eifersüchtig! - - Daß ich mich schäme, es auch nur dir zu bekennen. Alle meine Freunde find mir zuwider und verdächtig; die ich sonst nicht oft genug um mich haben konnte, sehe ich jeßt lieber gehen als kommen. Was haben sie auch in meinem Hause zu suchen? Was wollen die Müßiggänger? Wozu alle die Schmeicheleien, die sie meiner Frau machen? Der eine lobt ihren Verstand, der andere erhebt ihr gefälliges Wesen bis in den Himmel. Den entzücken ihre himmlischen Augen, und den ihre schönen Zähne. Alle finden sie höchst reizend, höchst anbetenswürdig; und immer schließt sich ihr verdammtes Geschwäß mit der

verwünschten Betrachtung, was für ein glücklicher, was für ein beneidenswürdiger Mann ich bin.

Dubois. Ja, ja, es ist wahr, so geht es zu.

Dorante. O, sie treiben ihre unverschämte Kühnheit wohl noch weiter! Kaum ist sie aus dem Bette, so sind sie um ihre Toilette. Da solltest du erst sehen und hören! Jeder will da seine Aufmerksamkeit und seinen Wih mit dem andern um die Wette zeigen. Ein abgeschmackter Einfall jagt den andern, eine boshafte Spötterei die andere, ein kiķelndes Histörchen das andere. Und das alles mit Zeichen, mit Mienen, mit Liebäugeleien, die meine Frau so leutselig annimmt, so verbindlich erwiedert, daß — daß mich der Schlag oft rühren möchte! Kannst du glauben, Dubois? ich muß es wohl mit ansehen, daß sie ihr die Hand küssen.

Dubois. Das ist arg!

Dorante. Gleichworl darf ich nicht muchsen. Denn was würde die Welt dazu sagen? Wie lächerlich würde ich mich machen, wenn ich meinen Verdruß auslassen wollte? Die Kinder auf der Straße würden mit Fingern auf mich weisen. Alle Tage würde ein Epigramm, ein Gassenhauer auf mich zum Vorschein kommen u. s. w.

Diese Situation muß es seyn, in welcher Chevrier das Aehnliche mit dem verheiratheten Philosophen gefunden hat. So wie der Eifersüchtige des Campistron sich schamt, seine Eifersucht auszulassen, weil er sich ehedem über diese Schwachqeit allzu lustig gemacht hat: so schämt sich auch der Philosorb des Destouches, seine Heirath bekannt zu machen, weil er ehedem über alle ernsthafte Liebe gespottet und den evelosen Stand für den einzigen erklärt hatte, der einem freien und weisen Mann anständig sey. Es kann auch nicht fehlen, daß diese ähnliche Scham sie nicht beide in mancherlei ähnliche

Verlegenheiten bringen sollte. So ist z. E. die, in welcher sich Dorante beim Campistron sieht, wenn er von seiner Frau verlangt, ihm die überlästigen Besucher vom Halfe zu schaffen, diese aber ihn bedeutet, daß das eine Sache sey, die er selbst bewerkstelligen müsse, fast die nämliche mit, der bei dem Destouches, in welcher sich Arist befindet, wenn er es selbst dem Marquis sagen soll, daß er sich auf Meliten keine Rechnung machen könne. Auch leidet dort der Eifersüchtige, wenn seine Freunde in seiner Gegenwart über die Eifersüchtigen spotten, und er selbst sein Wort bazu geben muß, ungefähr auf gleiche Weise als hier der Philosoph, wenn er sich muß fagen lassen, daß er ohne Zweifel viel zu flug und vorsichtig sey, wls daß er sich zu so einer Thorheit, wie das Heirathen, follte haben verleiten lassen.

Dem ungeachtet aber sehe ich nicht, warum Destouches bei seinem Stücke nothwendig das Stück des Campistrou vor Augen gehabt haben müßte, und mir ist es ganz begreiflich, daß wir jenes haben könnten, wenn dieses auch nicht vorhanden wäre. Die verschiedensten Charaktere können in ähnliche Situationen gerathen; und da in der Komödie die Charaktere das Hauptwerk, die Situationen aber nur die Mittel sind, jene sich äußern zu lassen und ins Spiel zu sehen, so muß man nicht die Situationen, sondern die Charaktere in Betrachtung ziehen, wenn man bestimmen will, ob ein Stück Original oder Copie genannt zu werden verdiene. Umgekehrt ist es in der Tragödie, wo die Charaktere weniger wesentlich sind, und Schrecken und Mitleid vornehmlich aus den Situationen entspringt. Aehnliche Situationen geben also ähnliche Tragödien, aber nicht ähnliche Komödien. Hingegen geben ähn= liche Charaktere ähnliche Komödien, anstatt daß sie in den. Tragödien fast gar nicht in Erwägung kommen.

Lessing, Werke. VII.

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Der Sohn unsers Dichters, welcher die prächtige Ausgabe der Werke seines Vaters besorgt hat, die vor einigen Jahren in vier Quartbänden aus der königlichen Druckeré zu Paris erschien, meldet uns in der Vorrede zu dieser Ausgabe eine besondere dieses Stück betreffende Anekdote. Der Dichter nämlich habe sich in England verheirathet, und ans gewissen Ursachen seine Verbindung geheim halten müssen. Eine Person aus der Familie seiner Frau aber habe das Geheimniß früher ausgeplaudert, als ihm lieb gewesen, und dieses habe Gelegenheit zu dem verheiratheten Philosophen gegeben. Wenn dieses wahr ist, — und warum sollten wir es seinem Sohne nicht glauben? — so dürfte die vermeinte Nachahmung des Campistron um so eher wegfallen.

Zweiundfunfzigstes Stück.

Den 27. Oktober 1767.

Den vierzigsten Abend (Donnerstags, den 9. Juli) ward Schlegeis Triumph der guten Frauen aufgeführt.

Dieses Lustspiel ist unstreitig eines der besten deutschen Originale. Es war, so viel ich weiß, das leßte komische Werk des Dichters, das seine frühern Geschwister unendlich über: trifft und von der Reife seines Urhebers zeugt. Der geschäftige Müßiggänger war der erste jugendliche Versuch, und fiel aus, wie alle solche jugendliche Versuche ausfallen. Der Wiß verzeihe es denen und räche sich nie an ihnen, die allzuviel Wiß darin gefunden haben! Er enthält das kalteste, langweiligste Alltagsgewäsche, das nur immer in dem Hause eines Meißnischen Pelzhändlers vorfallen kann. Ich wüste nicht, daß er jemals wäre aufgeführt worden, und ich zweifle,

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daß seine Vorstellung dürfte auszuhalten seyn. Der Geheimnißvolle ist um vieles besser; ob es gleich der Geheimnißvolle gar nicht geworden ist, den Moliere in der Stelle geschildert hat, aus welcher Schlegel den Anlaß zu diesem Stücke wollte genommen haben. 1 Molieres Geheimnißvoller ist ein Geck, der sich ein wichtiges Ansehen geben will; Schlegels Geheimnißvoller aber ein gutes ehrliches Schaf, das den Fuchs spielen will, um von den Wölfen nicht gefressen zu werden. Daher kommt es auch, daß er so viel ähnliches mit dem Charakter des Mißtrauischen hat, den Cronegt hernach auf die Bühne brachte. Beide Charaktere aber, oder vielmehr beide Nüancen des nämlichen Charakters können nicht anders als in einer so kleinen und armseligen, oder so menschenfreundlichen und häßlichen Seele sich finden, daß ihre Vorstellungen nothwenwendig mehr Mitleiden oder Abscheu erwecken müssen, als Lachen. Der Geheimnisvolle ist wohl sonst hier aufgeführt worden; man versichert mich aber auch durchgängig, und aus der eben gemachten Betrachtung ist mir es sehr begreiflich, daß man ihn läppischer gefunden habe, als lustig.

Der Triumph der guten Frauen hingegen hat, wo er noch aufgeführt worden, und so oft er noch aufgeführt worden, überall und jederzeit, einen sehr vorzüglichen Beifall

1 Misantrope Acte II. Sc. 4.

C'est de la tête aux pieds, un homme tout mistère,
Qui vous jette, en passant, un coup d'oeil égaré,

Et sans aucune affaire est toujours affairé.
Tout ce qu'il vous debite en grimaces abonde.

A force de façons il assomme le monde.

Sans cesse il a tout bas, pour rompre l'entretien,
Un secret à vous dire, et ce secret n'est rien.
De la moindre vetille il fait une merveille
Et jusques au bon jour, il dit tout à l'oreille.

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