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dieser einen freundlichen Führer und Tröster, welcher uns aufrichtet, ermuthigt und kräftiget, und immer auf die Urs quelle alles Trostes zurückweiset.

Und zwar täglich ergeht dieser Ruf an uns. Denn nicht zu oft können wir die Menschwerdung des Sohnes Gottes beherzigen; nie werden wir ganz dieses große Ges heimniß ergründen. Aber je länger und je öfter wir es bes trachten, um so tiefer werden wir eindringen in die Rathschlüsse der Erbarmungen Gottes, um so deutlicher seine unendliche Liebe erkennen und um so dringender zur Erfüllung seines heil. Willens uns angeregt fühlen. Täglich bringt die Betglocke uns dieses Geheimniß in Erinnerung, eben weil in ihm der mächtigste Antrieb zur Gottes- und Nächs stenliebe, die kräftigste Aufforderung zum regsten Eifer im Dienste des Herrn begründet liegt. Ohne solche äußere Ers weckung und deren öftere Erneuerung würde der Mensch nur zu leicht seines Gottes vergessen; seine Sinne für höhere Empfindungen nach und nach fast unempfänglich gemacht, würden nur im Genusse ihre Sättigung suchen und finden. So aber treffen die weckenden Töne doch wenigstens sein Ohr, wenn sie auch nicht immer bis zum Herzen hindurchdringen. Und manchmal wissen sie auch bis dahin sich eine Bahn zu brechen.

Täglich bedürfen wir der Erinnerung an die unendliche Liebe unsres Gottes, schon wegen der Schwäche und Bes schränktheit unsrer Natur, welche nur zu leicht sich_in's Sinnliche vertieft und vom Üebersinnlichen den Blick abs wendet. Da haben wir denn einen beständigen Wecker vons nöthen, welcher die unnöthigen Sorgen abschüttelt, die im Gewühle dieser Erde ganz befangene Seele nach oben weiset und ihrem Gotte näher bringt. Ferner umlauern uns auch so viele Feinde und suchen uns auf verkehrte Wege zu locken, daß nur der lebendige Gedanke an Gottes überaus große Huld und Gnade, wie sie sich uns in der Menschs

werdung seines Sohnes offenbarte, uns auf dem rechten Wege zu halten vermag. Der Versuchungen zum Bösen gibt es täglich auch so viele, der Anlässe und Gelegenheiten zur Sünde so manche, die Gefahren, offene wie geheime, am Glauben Schiffbruch zu leiden, sind so zahlreich, daß man der Kirche Dank wissen muß, wenn sie uns täglich zuruft: Kinder, bedenket es, das Wort ist für uns Fleisch gewors den und lasset euer Herz nicht bethören, und prüfet die Geister, ob sie aus Gott sind.

Täglich haben wir ferner auch gegen innere und äußere Leiden zu kämpfen, und gerathen in mancherlei Lagen und Verhältnisse, in denen nur ein fester Aufblick zu Gott uns aufrecht zu erhalten vermag. Wie so ganz geeignet für solche Fälle ist die Betglocke, die uns mit Gewalt aus unsern trüben Träumereien wegreißt, die uns zu frommem Gebete einladet und hinaufweist zu Gott, dem Helfer in jeglicher Noth. Täglich bedürfen wir ja auch nicht blos des leiblis chen, sondern auch des geistigen Brodes, der Stärkung und Kräftigung unsrer Seele, der Anfeuerung und Aufmunterung unsres Gemüthes und Willens zu edlen Thaten. Und was vermag wohl unsrem Geiste einen so hohen Aufschwung zu geben, was ist geeigneter, ihn zu allem Guten zu ents flammen und für alles Wahre und Schöne zu begeistern, als der Gedanke an den Erlöser, der um unsretwillen Mensch wurde?

Die Kirche, in der Besorgniß, wir möchten über dem Genusse der irdischen Gaben, des größten Geschenkes unsres Gottes vergessen, ruft es uns, gleich einer liebenden Mutter, täglich in's Andenken; und so bekümmert ist sie um unser Seelenheil, daß sie sogar dreimal des Tages diesen Ruf an uns ergehen läßt.

Und auch dieses ist nicht minder ein Beweis von ihrer erleuchteten Weisheit, wie von ihrer mütterlichen Liebe und Sorgfalt. Zu dreien Malen wiederholt sie diesen Ruf täglich.

Denn drei sind es ja, die Zeugniß geben im Himmel, der Vater, das Wort und der heil. Geist, und diese Drei sind Eins. Wie denn auch bei jenem großen Geheimnisse der Menschwerdung sowohl die Liebe des Vaters und des Sohnes wie jene des heil. Geistes sich kund giebt. Das Wort wird Fleisch durch den Willen des Vaters und die Kraft des heil. Geistes. Der Vater sendet den Sohn; der Sohn folgt der Sendung und der heil Geist vermittelt dies selbe. Deßhalb also ergeht zu dreien Malen dieser Ruf an uns, um uns zu erinnern an die gleichmäßige Liebe und Wirksamkeit des dreieinigen Gottes, und uns aufzufordern zum herzlichsten Danke gegen alle drei göttlichen Personen.

Drei Dinge sind es ferner auch, wodurch wir unsern Dank für die durch die Menschwerdung Christi uns bewiesene Liebe des dreieinigen Gottes vorzüglich beweisen, sein Wohlgefallen verdienen und unser ewiges Heil wirken können; sie heißen Glauben, Hoffen, Lieben. Doch auch drei Feinde stehen schon wieder im Hinterhalte und suchen die Einkehr jener drei Freunde in unser Herz zu verhindern ; es sind die Welt, das Fleisch und der Satan, und in ih rem Solde nähren sie eine dreifache Lust: die Augenlust, Fleischeslust und Hoffahrt des Lebens. Allein in einem dreifachen Mittel finden wir auch wieder die sichersten Waffen gegen diese feindlichen Schaaren, nämlich im Beren, Wachen und Kämpfen.

Jest wird uns wohl die Ursache jenes dreimaligen Aufrufes der Kirche während des Tages einleuchten. Bedenket Kinder, will sie uns sagen, recht oft und fleißig die unends. liche Liebe des dreieinigen Gottes, des Vaters, der seinen Eingebornen für euch dahingab, des Sohnes, der es nicht verschmähte, unser Bruder zu werden, des heil. Geistes, durch dessen göttliche Kraft die Jungfrau ihn empfing. Bes strebet euch eines dieser unendlichen Liebe würdigen Sinnes und Wandels. Drei Tugenden sind es vorzüglich, die euch

dem Allheiligen nahe bringen: ein lebendiger Glaube, eine unerschütterlich feste, zuversichtlich gewisse Hoffnung und eine unbegrenzte, Alles überwiegende Liebe. Zwar suchen euch drei arge Feinde dieses dreifache Kleinod wieder aus dem Herzen zu rauben, zwar wohnet in euch selbst eine dreifache Lust, eine treue Söldnerinn von jenen. Doch, nicht bange, Kinder, blicket hinauf zu dem dreieinigen Gotte; drei Mittel und Wege zeigt Er euch, wie ihr alle Ränke eurer Feinde umgehen könnet. Wachet, seid vorsichtig und behutsam, trauet nicht jedem Geiste, der Geist ist willig, das Fleisch aber ist schwach: dann betet, seßt auf den Herrn euer ganzes Vertrauen, mißtrauet der eigenen Kraft, versest euch in die Gegenwart des Alwissenden und Auheiligen und erflehet ihn um seine Gnade; und dann endlich ergreift das Schwert, welches ist das Wort Gottes, und kämpfet, muthig und getrost, im beständigen Aufblicke zu Gott.

Folgen wir diesem dreimaligen Rufe der Kirche, so werden wir gewiß den Sieg davontragen und einst auch in einem bessern Leben den Preis des Sieges erlangen.

Nur Weisheit und Liebe zu uns leitete also die Kirche bei Anordnung des dreimaligen Läutens der Betglocke für jeden Tag im Jahre. Es ist dieser Gebrauch so ganz ges eignet, unser Leben für den Tag zu ordnen und zu regeln, uns an den, ohne den wir Nichts und durch den wir Alles find, ferner an das, was wir diesem dreieinen Gotte schuldig sind, oder an unsre Hauptpflichten, so wie ferner an unsre Hauptfeinde und zugleich wieder an die Hauptwaffen, die wir gegen dieselben gebrauchen sollen, zu erinnern.

Eben so weise und zweckmäßig ist die Zeit gewählt, wo dieser Ruf an uns ergeht. Haben wir die Nacht hindurch im süßen Schlummer unsre müden Glieder gestärkt und erwachen nun auf einmal am frühen Morgen zum neuen Leben, und fühlen uns wohl und wie neu geschaffen, und Finnen nun schon den Geschäften nach, die unsrer harren

am Tage, und erheben uns nun vom Lager und wollen schon hinauseilen in die stürmische Welt-horch, da ertönt die Betglocke. Was will sie denn so frühe dir sagen? Wie so eilig, so geschäftig, so voller Gedanken und Sorgen, ruft sie dir zu, gedulde dich noch etwas, und antworte mir: Wer hat dich diese Nacht vor Unglück bewahrt? Wer hat an deis ner Seite gewacht, als du schliefest? Wem verdankest du es, daß du noch lebest und athmest? Ist es nicht dein Vas ter im Himmel, der dich auch diesen Morgen noch hat ers leben lassen? Und du willst hinausstürmen ins rauschende Leben, ohne die Hände zum Danke zu falten? Und du willst in die Wogen der Welt dich werfen, ohne an Ihn zu denken? Und du willst deine Arbeit beginnen, ohne Ihn um seinen Segen zu bitten? Wie undankbar! Höre, ich vers fünde dir's laut: Gott ist die Liebe; sogar seinen Sohn hat Er für dich in die Welt gesandt. Darum kniee nieder, falte die Hände und bete; mit Gott fange den Tag an. Und der Herr wird heute deine Arbeit segnen und deinen Fleiß bes lohnen. Findet dich der Ruf der Betglocke aber noch im weichen Lager, o so wache auf und schäme dich deiner Träge heit. Es ist der Herr, der dich zur Thätigkeit ruft. Auf also und höre ihre Stimme. Gott ist die Liebe, will sie dir sagen; so danke denn dem Allgütigen und eile zu deinem Berufe, folgend der Leitung jener weckenden Stimme, wandelnd in den Wegen deines Gottes.- Denken wir uns eine schauerliche Winternacht, von keinem Sternenglanze erleuchtet, den Himmel ganz mit düstern Wolken umzogen, furchts bar heulen die Winde, der Regen fällt in Strömen, die Fenster klirren, die Elemente in schrecklichem Aufruhr, mit heißer Sehnsucht harret man des kommenden Morgens, Nacht aber will nicht weichen, der Sturm sich nicht legenhorch, da endlich ertönet die Betglocke. Freudig begrüßt man ihre Töne wie einen Engel, der uns die Stunde der Erlös sung ankündet. Wenn. wir's auch nicht wüßten, wir müßten

die

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